Wer kennt es nicht – jene anregenden Workshops, in denen die Quellen der Kreativität in einem schier endlosen Strom sprudeln. Doch am Ende des Workshops steht man dann vor der drängenden Frage: „Moment mal, wie setzen wir all das eigentlich in die Tat um?“ Es scheint, als ob die Umsetzung dieser großartigen Einfälle ein optionales Extra wäre, das niemand gebucht hat. Selbst wenn im Workshop fleißig nächste Schritte, Meilensteine und Verantwortliche definiert wurden, werden diese oft von den Mühlen des Tagesgeschäfts zermalmt.
Dieses Problem adressiert die Methode 15% Solutions, eine Liberating Structure. Passenderweise beginnt die Beschreibung mit einem Zitat der Klimaktivistin Greta Thunberg: „Ich habe gelernt, dass man nie zu klein dafür ist, einen Unterschied zu machen.“
Bei der Methode fokussiert man sich in der Umsetzung auf die nächsten Schritte, die man sofort ohne fremde Hilfe tun kann. Also was ist so einfach, wie ein Pappschild zu zeichnen und sich vor das schwedische Parlament zu setzen.
Die Methode 15% Solutions erzeugt eine beeindruckende Wirkung, die sich anhand folgender Stichpunkte beschreiben lässt:
- Fokus auf eigenen Einflussbereich: Die Methode ermutigt die Teilnehmenden dazu, sich auf Lösungen und Ideen zu konzentrieren, die in ihrem eigenen Einflussbereich liegen. Dies ermöglicht es den Teilnehmenden, realistische und erreichbare Schritte zu identifizieren, die sie selbst umsetzen können. Durch diese Fokussierung werden die Chancen erhöht, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich in die Tat umgesetzt werden.
- Schnelles erstes Erfolgserlebnis motiviert zum Dranbleiben: Durch den Fokus auf eine 15%-Lösung statt 100%-Lösung erhöht sich die Chance auf ein schnelles Erfolgserlebnis signifikant. Dieses erste positive Resultat motiviert die Teilnehmenden, sich weiterhin für die Umsetzung der Maßnahmen zu engagieren. Es schafft eine positive Dynamik, die das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärkt und den Antrieb zum Fortfahren verstärkt.
- Einzelnes Puzzleteil statt komplettes Puzzle: Die Methode erkennt an, dass große Probleme oft aus vielen kleinen Teilen bestehen. Anstatt sich von der schieren Größe einer Aufgabe überwältigen zu lassen, konzentriert sich die Methode auf die Identifizierung von Teilmaßnahmen, die einen konkreten Beitrag leisten können. Dies ermöglicht es den Teilnehmenden, sich auf konkrete Aspekte zu fokussieren und schrittweise voranzuschreiten.
- Ein Schneeball kann eine Lawine auslösen: Die Methode setzt auf die Idee, dass selbst kleine Veränderungen und Maßnahmen eine größere Wirkung haben können. Ähnlich wie ein Schneeball, der den Hang hinabrollt und dabei an Größe gewinnt, können die 15%-Lösungen in der Praxis irgendwann sogar zu 200%-Lösungen werden.
An drei Beispielen soll dies verdeutlicht werden:
- Nachhaltige Stadtplanung – In einem Workshop dreht sich alles um die nachhaltige Gestaltung der Innenstadt. Teilnehmenden aus Stadtplanung, Architektur und Umweltschutz diskutieren über bestehende nachhaltige Stadtentwicklungsprojekte und -ideen. Eine der Ideen ist ein autofreier Stadtteil. Die 15%-Lösung ist die temporäre Sperrung einer kleinen, wenig befahrenen Straße. Der Leiter des Bauhofs stellt am nächsten Tag an beide Enden der Straße Bäume in Töpfen auf. Nach einiger Zeit wünschen sich die Bürger weitere dieser Straßen.
- Dekarbonisierung eines Unternehmensstandorts – Im Workshop werden bewährte nachhaltige Praktiken und Ideen wie Energieeffizienz, Grünstromeinsatz und Eigenenergieerzeugung diskutiert. Der Werkleiter schließt in der Folgewoche einen Grünstromvertrag mit seinem Stromlieferanten ab. Ein schnelles Erfolgserlebnis, das für die aufwendigeren Maßnahmen wie eine eigene PV-Anlage motiviert.
- Soziale Nachhaltigkeit in der Gemeinschaft – In diesem Workshop kommen Vertreter aus verschiedenen sozialen Organisationen, lokalen Gemeinschaften und Bildungseinrichtungen zusammen, um über soziale Nachhaltigkeit zu diskutieren und konkrete Maßnahmen zu entwickeln. Eine Lehrerin beschließt mit einer Teilnehmerin aus einer NGO in ihrer nächsten Geographiestunde einen Mini-Workshop zum SDG4 „Hochwertige Bildung“ anzubieten. Der Workshop ist ein voller Erfolg und wird in der Folge auch an anderen Schulen angeboten.