Im Zuge der Digitalisierung haben sich ursprüngliche Diffusionsmodelle von Innovationen, Produkten und Geschäftsmodellen maßgeblich verändert. Klassische Marktgänge entlang einer zyklisch relativ langgezogenen Gaußschen Normalverteilung (vom Innovator, über den Early Adopter, die frühe und späte Mehrheit bis hin zum Nachzügler) sind deutlich verkürzt. Aber nicht nur das. Durch exponentielle Skalierung, weiter angefeuert über Mechanismen digitaler Plattformen und digitale Vernetzung, sind Marktgänge inzwischen in der Regel wesentlich dramatischer. Dramatisch meint dabei schnellere Markteintritte, steilere Erfolgskurven und drastischere Trend-Enden. Kurzum: ohne schnelles Reagieren und schnelle Entscheidungsfähigkeit innerhalb von Organisationen, ob man bei einer Entwicklung dabei sein möchte oder nicht, ist der Konkurrenzkampf bereits verloren.
Im Umkehrschluss bedeutet dies gleichzeitig auch das schnelle und frühzeitige Absteigen von Projekten, Produkten oder Geschäftsmodellen, sobald erkannt wird, dass man a) auf das falsche Pferd gesetzt hat oder b) das Pferd bereits lahmt.
Um kulturell negative Auswirkungen von sich häufenden Beendigungen von Projekten zu vermeiden, bietet es sich an, solchen Projekten eine gewisse Wertschätzung entgegenzubringen und sie im exploitativen Sinne zumindest bezüglich Lerneffekte ausgiebig zu reflektieren. Eine zu diesem Zwecke entwickelte Methode, die bereits in der analogen Welt bedeutende Relevanz hatte, ist die Methode der (Ideen-)Beerdigung.
Hierbei geht es primär um ein aktives Wissensmanagement sowie die Motivation im Team. Auf Seiten des Idea Owners, der seine Idee ggf. noch vor dem Markterfolg wieder aufgeben muss, stehen Wertschätzung und Lernerfolg im Vordergrund. Die Methode „Digitale Beerdigung“ ist in vielen agilen Projekten kultureller Bestandteil der Projektentwicklung; gerade dort, wo in kurzer Zeit viele Impulse getestet, an den Markt gebracht und wieder verworfen werden (müssen).