Die Übung „Modellierung evolutionärer Entwicklungen“ eignet sich besonders zur anschaulichen Darstellung von Biografien, Entwicklungslinien und evolutionären Prozessen. Die dreidimen- sionale Darstellung erleichtert und veranschaulicht die Genese komplexer Entwicklungen von der Vergangenheit über das Heute bis in die voraussichtliche Zukunft. Dabei kann es sich sowohl um die Entwicklungslinien von Organisationen, Unternehmen und ge- sellschaftlichen Gruppen handeln, als auch um die Entwicklung einzelner Bereiche oder spezifischer Aspekte wie die Entwicklung der Innovationen. Anlass ist vielfach die Notwendigkeit einer tiefer gehenden Bestandsanalyse vor Beginn von strategischen Prozessen oder ganz allgemein von Veränderungsprozessen in der Organisationsentwicklung. Zur Darstellung der biografischen Entwicklungslinie von Einzelpersonen ist diese Methode ebenfalls sehr gut geeignet. Auch hier insbesondere aus Anlass privat oder beruflich bedingter Veränderungssituationen zur Situationsanalyse und Entwicklungsplanung.
Die Modellierung der Entwicklungslinien kann sowohl auf speziell mit Sand präparierten Tischen als auch outdoor in der Natur erfolgen. Die auf diese Weise praktizierbare Mehrdimensionalität ermöglicht im Vergleich zur zweidimensionalen Darstellung auf Pinnwand oder Flipchart eine andere Kreativität, Lebendigkeit und Prozessdynamik in der Darstellung und während des Arbeitsprozesses. Falls technisch möglich, werden etwa tischgroße Sandkästen mit Umrandung in Arbeitshöhe aufgestellt. Auf diese Weise können ergonomisch günstig im Stehen und bei guter Zugänglichkeit von allen Seiten her die Dynamiken der Entwicklung gut dargestellt und herausgearbeitet werden. Alternativ findet die Übung outdoor auf einem natürlichen, modellierbaren Substrat möglich statt, z.B. auf Waldboden, an einem Flussufer oder am Sandstrand, eingeschränkt auch auf Rasen oder auf Waldwegen.
Für die konkrete Darstellung werden die Sandkästen bzw. die natürlichen Modellierungsflächen unterteilt. Auf ungefähr zwei Dritteln der Fläche wird die vergangene Entwicklung dargestellt, auf einem Drittel die voraussichtliche zukünftige Entwicklung. Mit gesammelten Naturmaterialien sowie vorgefertigten und mitgebrachten Symbolfähnchen können Einzelereignisse plastisch dargestellt und während der Bearbeitung gleichzeitig immer wie- der flexibel angepasst werden.
Die vorbereiteten Symbolfähnchen eignen sich besonders für die Darstellung positiver bzw. schwieriger Situationen, also Entscheidungspunkten, an denen sich Entwicklungen verzweigen oder zusammenlaufen sowie Sackgassen, bei denen es nicht weitergeht. Sie können daher z.B. mit Symbolen wie Wegegabelung, Stoppschild, Sackgasse, Einbahnstraße, Achtung, Smiley, Sonne, Blitz, Bombe etc. versehen sein. Ergänzt durch die Symbole aus Naturmaterialien (Äste, Steine, Blätter, Früchte, Zapfen, Zweige, Gräser, Moos, Federn etc.) werden auf diese Weise entlang der zunächst grob im Substrat einmodellierten Entwicklungslinien Ziele,Verwerfungen, Brüche, Krisen und Sackgassen auf der Fläche verdeutlicht. Bei Bedarf können zusätzlich auch mit Stichworten beschriebene Kärtchen hinzugefügt werden. Nach und nach verdichten sich die sukzessiven Ergänzungen zu einem Gesamtbild, sodass am Ende eine visualisierte Entwicklungsgeschichte steht.
Diese Art der „Modellierung evolutionärer Entwicklungen“ ist ein Analyse-Bestandteil des evolutionären Managements und wird in modifizierter Form auch im Rahmen der psychosozialen Diagnostik eingesetzt. Während der Entstehung der biografischen Landschaften und Sandbilder entstehen durch die Berührung der Hände mit den Substraten auch Emotionen. Normalerweise nutzen wir unseren Tastsinn mit 1,5 Prozent unserer durchschnitt- lichen individuellen Informationswahrnehmung nur sehr wenig. Durch das Modellieren des Substrats und die Gestaltung des Sandes sowie das Greifen, Platzieren und Anpassen der vielfältigen Symbole fördert diese haptische Übung ganz nebenbei auch die Sinneswahrnehmung und trägt zur Bewusstseinserweiterung bei.
Hauptziel der Übung ist es, einen Überblick über die Entwicklungsgeschichte und die voraussichtliche oder gewünschte Zukunft der Organisation, der dargestellten Thematik oder der eigenen Biografie zu gewinnen. Aufgrund der drei Darstellungs- Schritte von der Vergangenheit über das Heute in die Zukunft spannt die Übung einen verbindenden Entwicklungsbogen. Das Einbeziehen der Vergangenheit und die Darstellung und Analyse der verschiedenen Entwicklungslinien vor der Befassung mit der Zukunft unterstreicht den ganzheitlichen Ansatz, wie er nach- haltige Entwicklung kennzeichnet.