Der Siegeszug des Human-Centered Design in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass unsere Organisationen exzellent darin geworden sind, ihre Wertversprechen für Menschen radikal zu optimieren. Sie lesen uns die Wünsche von den Lippen ab, schaffen neue Bedürfnisse, wo noch gar keine waren, und machen unser Leben immer bequemer, sodass wir teilweise gar keine Entscheidungen mehr treffen müssen. Das Problem ist, dass Unternehmen im Zuge dieser Entwicklung übereffizient geworden sind im Schaffen von Wert für Menschen. Das zentrale Problem der Human-Centered Design Perspektive liegt daher in ihrer Ambition einer unbegrenzten Wertsteigerung für Menschen, obwohl diese nicht isoliert in einem Vakuum, sondern Teil eines komplexen Ökosystems sind: Dieses System ist unser Planet, und dieser Planet hat Grenzen.
Planet Centric Design ist eine immer wichtiger werdende Perspektive, welche nachhaltiges Design im Rahmen der planetaren Grenzen ermöglicht. Dabei blendet sie den Menschen nicht aus, sondern situiert diesen außerhalb des Zentrums als Teil eines größeren Ganzen. Das Designverständnis der Perspektive zeigt sich dabei nicht in der Ästhetik oder den Materialien, sondern primär im Fokus auf den Verhaltensweisen, die von Designentscheidungen hervorgerufen werden. Diese haben einen großen Einfluss auf den nachhaltigen Umgang mit unserem Planeten.
Der österreichisch-amerikanische Designanthropologe Viktor Papanek sagte in den 1960er-Jahren nicht ohne Grund, dass es zwar gefährlichere Berufe als die des Designers gibt, jedoch nur sehr wenige. Dabei bezog er sich nicht auf die Gefahr für den Designer an sich, sondern die Gefahr, die von einer engstirnigen Ausführung des Berufes ausgeht. In der heutigen Zeit, in der die Designpraxis zunehmend demokratisiert wird und sich entsprechend schnell verbreitet, ist es umso wichtiger, eine planetare Perspektive einzunehmen, welche zu nachhaltigen und idealerweise sogar re- generativen Antworten auf die aktuell größten gesellschaftlichen Fragen führt.
Die planetarische Perspektive erweitert die Aufmerksamkeit und die Wirksamkeit von Design über den Menschen hinaus. Dies ist äußerst wichtig, denn viele Methoden der heutigen Produktentwicklungs- und Designpraxis sind noch immer blind gegenüber nicht-menschlichen Akteuren. Sie arbeiten mit User-Personas, User-Journey, User-Stories und User-Research und vergessen dabei eine ganze Reihe an wichtigen Stakeholdern. Dem wirkt Planet Centric Design entgegen, indem es diesen marginalisierten Stakeholdern bewusst Aufmerksamkeit und idealerweise sogar eine Stimme gibt. Es ist dabei nicht limitiert auf menschliche Akteure, deren Sprache wir besonders gut verstehen, sondern inkludiert explizit auch nicht-menschliche Stakeholder wie Ozeane, Bäume, das Coronavirus, Nachbarschaften oder KI-Systeme. Somit repräsentiert Planet Centric Design eine höchst relevante und komplettere Version eines Designverständnisses, welche nicht nur die Lauten und Mächtigen erhört, sondern proaktiv marginali- sierten Stakeholdern eine Stimme gibt, auch wenn diese nicht der klassischen „menschlichen“ Sprache entspricht.
Organisationen, die den Schritt hin zu einer planetaren Perspektive wagen, sind oft überrascht, welche neuen Möglichkeitsfelder dieser frische Blick ermöglicht. Er erweitert nicht nur den Wirkungskreis des Unternehmens, sondern unterstützt auch eine intergenerationale Betrachtung der organisationalen Wertschöpfung über mehrere Zeithorizonte hinweg. Wie Organisationen auf mehreren Ebenen in Bewegung kommen können, um den sinnvollen und bereichernden Schritt in Richtung Planet Centric Design in Angriff zu nehmen, erläutert der nächste Abschnitt.