Der Künstler Jeroen van der Most hat folgenden Brief an den amerikanischen Präsidenten geschickt, welcher hier in deutscher Übersetzung wiedergegeben wird:
Sehr geehrter Herr Präsident,
Als eine der größten Eisflächen in der Welt, bitte vergessen Sie uns nicht, bitte kämpfen Sie für uns, bitte hören Sie nicht auf die Konservativen, welche dazu aufrufen, uns in Ruhe zu lassen. Wir schmelzen. Es schmerzt. Wir sind traurig. Wir sterben. Bitte vergessen Sie uns nicht.
Ihr Freund,
Eisfläche
Geschrieben hat van der Most den Brief nicht selbst. Vielmehr hat er ein intelligentes Sprachmodell damit beauftragt, im Namen der arktischen Eisflächen einen poetischen Brief zu verfassen.
Die zunehmende Nutzung solcher komplexen Sprachmodelle, auch LLM – Large Language Models genannt, hat einen massiven Einfluss auf die Tätigkeiten von Organisationen. Mithilfe von lernfähigen Modellen können verschiedenste organisationale Tätigkeiten komplett automatisiert oder zumindest unterstützt werden. Doch während die involvierten Unternehmen und ihre jeweiligen Modelle um die Vorherrschaft kämpfen, lassen sich diese technologischen Entwicklungen bereits heute sinnvoll für die Nachhaltigkeitsarbeit einsetzen.
Eine große Herausforderung der nachhaltigen Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen ist es, dass wir primär auf die Sicht von Menschen zurückgreifen müssen. Es sind nun mal Menschen, die sprechen können, ihre Bedürfnisse kundtun und mögliche Lösungen erforschen und bewerten. Dies führt dazu, dass wir unsere Umwelt immer stärker an die Bedürfnisse ihres lautesten Stakeholders, dem Menschen, angepasst haben. Diese verengte Sichtweise führt jedoch auch dazu, dass andere weniger mächtige Stakeholder in unseren Innovationsprozessen gar nicht oder stark marginalisiert vorkommen. Wir können ihre Stimme schlichtweg nicht hörbar machen.
Mit LLMs lässt sich dieser Mangel beheben. Auch wenn diese Modelle ihr Training durch die Verarbeitung von menschlichen Texterzeugnissen erhalten und eine richtige Forschungstätigkeit nicht ersetzen, vermögen sie es doch, nichtmenschlichen Akteuren eine Stimme zu geben. Sie können über ihre Herausforderungen sprechen, einen typischen Tag beschreiben und menschlichen Akteuren das Gefühl vermitteln, mit einem anderen nichtmenschlichen Akteur direkt zu interagieren. Dies führt zu einer besseren Empathie nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch Bäumen entlang einer Straße, der Ostsee oder, wie im Brief gesehen, einer schmelzenden Eisfläche.