Eine Hauptaufgabe von Managerinnen und Führungspersonen in Organisationen ist das Entscheiden. Nicht überraschend spricht man von solchen Personen oft auch als „Entscheider“. Es erstaunt wenig, dass sich viele damit brüsten, Entscheidungen schnell und datengetrieben zu treffen, um das rasche Vorankommen der Unternehmung sicherzustellen. Während dies bei einfachen oder logischen Entscheidungen einfach fällt, kommt eine solche Entscheidungspraxis zunehmend unter Druck in Nachhaltigkeitsthemen, bei welchen die Datenlage weniger gut ist. Durch die systemische Natur dieser Herausforderungen besteht regelmäßig große Unsicherheit darüber, was die wirklichen Auswirkungen einer Entscheidung sind. Gleichzeitig verlangen Entscheidungen die Expertise von nicht nur einer, sondern von mehreren Personen, die meist nicht geübt darin sind, gemeinsam unter Unsicherheit zu entscheiden. Es zeigt sich also: Das sogenannte Decision Making ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite liegt Sense- making, welches oft nur implizit betrieben wird, obwohl es einen großen Einfluss auf Organisationen hat.
Der Organisationsforscher Karl Weick fasst Sensemaking mit folgendem eingängigen Rezept zusammen: Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich sehe, was ich sage. Was anfänglich als verworrener Satz daherkommt, entpuppt sich schnell als eine weit verbreitete Erfahrung, die Menschen in Organisationen machen. Wann mussten Sie das letzte Mal etwas kurz skizzieren, um es zu verstehen oder anderen zu erklären? Wie oft kamen die richtig guten Ideen erst, als Sie angefangen haben, den Foliensatz zu erstellen? Oder wurden Ihnen auch schon erst beim Niederschreiben gewisse Lücken in Ihrer Argumentation bewusst, welche Sie davor auf der Tonspur noch felsenfest vorgetragen hatten? Sie sind nicht allein. Sensemaking hilft uns, wenn der Kontext nicht abschließend geklärt ist und wir ihn erst verstehen müssen. Dabei ist Sensemaking in Organisationen eine kollektive Aktivität. Das heißt, es geht nicht um einzelne Personen, sondern wie diese als Gruppe ein gemeinsames Verständnis aufbauen, welches als Grundlage für weitere Entscheidungen dienen kann.
Die Erkenntnis, dass Sensemaking ein zentraler Prozess nicht nur innerhalb von Organisationen, sondern auch zwischen ihnen und ihrer Umwelt ist, ermöglicht die bewusste Applikation und Gestaltung dieses Prozesses. Die Nachhaltigkeitstransformation führt dazu, dass viele eingeübte Prozesse und Routinen nicht mehr mit der sich verändernden Umwelt kompatibel sind. Vorausschauende Unternehmen investieren deswegen aktiv in das erfolgreiches Sensemaking ihrer organisationalen Akteure. Dazu dienen eine Vielzahl an Methoden in diesem Buch wie Strategy Prototyping, Planetary Stakeholder Map oder Planet Centric Design, um nur einige zu nennen. Wie der Sensemaking-Prozess an sich abläuft, wird im nächsten Abschnitt auf theoretischer Basis erklärt.