Situationsanalyse

Situationsanalyse

Eine visuelle Forschungs- und Kodiermethode, die menschliche und nicht-menschliche Akteure in Relation zueinander analysiert.

Um die Umwelt unserer Organisationen besser zu verstehen, führt nichts an einer tiefgründigen Forschungstätigkeit vorbei. Dabei sammelt sich meist ein Berg von Daten aller Art an, welche wir analysieren müssen, um daraus sinnvolle Erkenntnisse ziehen zu können. Die Schwierigkeit besteht darin, dass solche Daten aus dem echten Leben in einem komplizierten Netz auf verschiedenste Wegen miteinander zusammenhängen. Es gibt keinen Anfang und auch kein definiertes Ende, nur ein Knäuel an Informationen. Es ist ein Chaos.

Eine klassische Analysemethode, die mit der Unaufgeräumtheit von qualitativen Daten umzugehen vermag und eine strukturierte induktive Datenerfassung ermöglicht, ist die Grounded-Theory- Methode von Glaser und Strauss. Dabei folgen Forschende einem klaren Kodierprozess, welcher sich in mehreren Runden schritt- weise vom Feld hin in Richtung Theoriegenerierung bewegt. Der Schwerpunkt der Methode liegt auf der Identifizierung von Begriffen, wie sie Praktiker auch tatsächlich so benutzen. Erst in einem weiteren Schritt werden diese Beobachtungen mit der Theorie zusammengeführt und abstrahiert. Seit ihrer Einführung Ende der 1960-Jahre ist die Grounded Theory eine Erfolgsgeschichte, da sie es regelmäßig schafft, in das Chaos von empirischen Daten Ordnung zu bringen und diese auf lineare Weise aufzubereiten.

Die klassische Grounded-Theory-Methode greift im Kontext von Nachhaltigkeit jedoch zu kurz. Adele Clark, eine renommierte Professorin der University of California, hat als Weiterentwicklung die Situationsanalyse eingeführt, welche die bestehende Methode in drei Bereichen wirksam ergänzt. Erstens überwindet sie die bestehende Fokussierung auf individuelle Aktionen von mensch- lichen Akteuren, welche den wichtigen sozialen Kontext ausblendet. Zweitens vermag die Situationsanalyse die Nicht-linearität der echten Welt besser abzubilden, da sie nicht aus linearen Diagrammen, sondern Netzwerken besteht, welche als Karte dargestellt werden. Und letztens erweitert sie den Begriff des Akteurs explizit auch auf nicht-menschliche Akteure aus und schafft so eine differenziertere Perspektive. Diese Weiterentwicklungen sind gerade für die Arbeit mit Nachhaltigkeitsthemen zentral, da diese höchst kontextspezifisch sind, durch komplexe und vernetzte Feedbackschlaufen charakterisiert werden, und neben den Menschen auch viele nichmenschliche Stakeholder betreffen.

Die Situationsanalyse ist eine effektive Methode, um die Analyse von komplexen Daten im Nachhaltigkeitskontext zu strukturieren. Sie beruht auf einer induktiven Herangehensweise, bei welcher die gesammelten Daten, und explizit nicht vorher definierte Theorien, die Inhalte der Analyse bestimmen. Dabei setzt sie auf die Erstellung mehrere Karten, welche einzeln aber auch als Weiterentwicklungen angefertigt werden können. Die visuelle Methode der Datenanalyse erlaubt es, nicht nur auf die menschliche Sprache und entsprechende Aussagen angewiesen zu sein, sondern auch Artefakte und nicht-menschliche Akteure in die Analyse aufzunehmen. Weiter fördert die Situationsanalyse eine Auseinandersetzung nicht nur mit einzelnen Knoten des Netzwerks, sondern vor allem auch mit den Verbindungen und Beziehungen zwischen ihnen. Somit wird Kontext sichtbar, eine artifizielle Linearität überwunden und die Komplexität eines Kontextes würdevoll und doch handhabbar abgebildet.

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