Zu allen Zeiten haben Menschen Geschichten erzählt: wahre, erfundene und solche, die, wenn sie nicht wahr wären, dringend hätten erfunden werden müssen. Märchen, Dramen, Horror- und Erfolgsgeschichten. Sie bieten den Menschen Orientierung, weil sie komplexe Zusammenhänge einfach verständlich machen, weil Erkenntnisse, Lebensweisheiten und Ratschläge in Geschichten besser akzeptiert werden und gute Geschichten den Menschen in Erinnerung bleiben.
Auch Führungskräfte erzählen (Geschichten) über sich und sie tun dies oft wenig bewusst. Gleichwohl formen diese Geschichten bei den Zuhörern stets ein Bild des Gegenübers nach dem Motto: „Was Hans über Hänschen erzählt, sagt mehr über Hans aus als über Hänschen.“
Je weniger Führungskräfte Botschaften senden, das heißt, je weniger sie kommunizieren und je weniger sie über sich sowie ihre Erwartungen, Werte und Ziele berichten, desto mehr wird das Handeln des Vorgesetzten auf dem Hintergrund einer jeweils individuell persönlichen Bedeutungsgebung durch die Mitarbeiter interpretiert.
Diese individuelle Bedeutungsgebung hängt in großem Maße von persönlichen Ängsten, von vor allem negativen Erfahrungen und von der gesamten aktuellen Einstellung des Mitarbeiters zum Unternehmen ab. Gerade im Rahmen von Veränderungsprozessen geht Nichtkommunikation daher häufig mit Missverständnissen, Irritation, Demotivation und entsprechend sinkender Produktivität einher.
Georg Schreyögg, Professor für Management an der FU Berlin schrieb im Jahr 2000: „Es gilt fast als Regel, dass die Produktivität in Veränderungsprozessen um bis zu 75% sinken kann.“
Sprungbrett-Geschichten sorgen für eine emotionale Verbindung zwischen allen Beteiligten bzw. Betroffenen, für Energie und Motivation zum Erreichen der gewünschten Ziele und verdeutlichen die Notwenigkeit des Wandels. Entsprechend sollte eine solche Vorstellung der „wunderbaren Zukunft“ unbedingt visionären Charakter haben: Sie sollte emotional berühren und den Nutzen, den sie für die Betroffenen birgt, aufzeigen. Denn „es ist klar, dass Menschen und Unternehmen Visionen brauchen, um Schwierigkeiten zu überwinden und erfolgreich zu sein“
Doch welche Art von Vision ist motivierend? Die Vorstellung, in drei Jahren den aktuellen Umsatz von XX Millionen Euro zu verdoppeln, ist für die wenigsten Menschen eine und schon gar nicht eine motivierende Vision.
Allenfalls wäre dies für einige Menschen ein motivierendes Ziel. Erst wenn Menschen eine plastische, umfassende, emotionale und nicht nur eine abstrakte und farblose Vorstellung von ihrem Ziel haben, ergeben sich daraus wichtige Folgewirkungen. Die wunderbare, erwünschte Zukunft sollte farbig, konkret und mit eindringlicher Symbolik belegt sein. Dann wird sie mit attraktiven Gefühlen aufgeladen und entfaltet echte Anziehungskraft. Als solche bleibt sie im Gedächtnis haften und leitet tatsächlich das eigene Handeln.
Sprungbrett-Geschichten sollten regelmäßig (in leichten Variationen) vom Management (möglichst abgestimmt) erzählt und damit systematisch verbreitet werden.
Sprungbrett-Reden eignen sich zum Beispiel besonders gut für Großgruppenveranstaltungen: An bestimmten Wendepunkten des Veränderungsprozesses helfen sie, verschiedenste Interessen zu integrieren, sich zu synchronisieren und eine gemeinsame Wahrnehmung der Notwendigkeit der Veränderungen und der Herausforderung zu bekommen.
Leifragen zu der Entwicklung von Sprungbrett-Geschichten (im Detail mehr dazu im Rahmen der Durchführung):
– Wo stehen die Mitarbeiter aktuell? Wo steht das Management?
– Was sind aktuelle Befindlichkeiten, Sorgen und Ängste der Mitarbeiter?
– Was sind bestehende Überzeugungen, durch welche neuen Überzeugungen sollen diese ersetzt werden?
– Welche bestehenden Einstellungen und Werte sind hilfreich in Richtung des gewünschten Wandels
– Welche Metaphern, Analogien und Symbole könnten sich eignen, um zu erklären, worum es uns in unserem Veränderungsprozess geht?
– Welche Märchen, Science Fiction Stories, Filme oder historischen Ereignisse könnten uns geeignete Hintergrundfolien liefern?
– Welches sind die Fakten, die zeigen, dass eine Veränderung unumstößlich notwendig ist: Kontextentwicklungen, marktwirtschaftliche Entwicklungen, Wettbewerberaktivitäten
– Welches sind die (negativen) Konsequenzen, die wir (mittelfristig/langfristig) tragen müssen, wenn wir auf diese Entwicklungen nicht reagieren?
-Was wird das wunderbare, ersehnte Ergebnis sein, wenn wir den Wandel vollzogen haben?
– Was werden wir dann erleben und erfahren, das uns begeistert, uns nutzt, uns zufrieden und glücklich macht?
– Was werden die Ressourcen (Wissen, Erfahrungen, Know-how…) sein, die uns beim Wandel helfen werden?
– Welche unserer (auch schon bisher gezeigten) Fähigkeiten, Werte und Überzeugungen werden uns besonders dabei helfen, die Vision zu realisieren?
– Was müssen wir jetzt loslassen, hinter uns lassen?
– Was ist/wird traurig und schmerzlich für mich/für uns sein?
– Welche Geschichte, welche Unternehmensentwicklungen im Unternehmen gibt es, an die wir positiv anknüpfen können?
– Auf welche gemeinsamen früheren Erlebnisse und Ereignisse können wir aufbauen?