Oft wird zwischen nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Unternehmen entschieden. Doch es gibt noch viel mehr Schritte, die ein Unternehmen auf dem Weg der eigenen Transformation gehen kann. Die „Transformationsstufen der Nachhaltigkeit“ zeigen als Reflexionshilfe, wo sich Unternehmen gerade auf ihrer Reise befinden, und was ihnen auch noch als Möglichkeitsraum offensteht.
Die Transformationsstufen orientieren sich an einer Bewertung, wie groß der Schaden oder Nutzen eines Unternehmens für den Planeten und die Gesellschaft ist. So eignen sich bspw. für eine ökologische Betrachtung die neun planetaren Grenzen. Sorgt ein Unternehmen dafür, dass eine oder mehrere Grenzen weiter überschritten werden, wirtschaftet es innerhalb der planetaren Grenzen oder sorgt es sogar dafür, dass sich die Belastungen für den Planeten verringern?
Die Transformationsstufen sind so zu verstehen, dass Unternehmen diese nicht zwangsläufig linear von 1 bis 5 durchlaufen müssen. Gerade Start-ups und Neugründungen können bereits bei einer hohen Stufe einsteigen, da sie nicht mit einer Umwälzung ihrer bestehenden Geschäftspraktiken konfrontiert sind. Etablierte Unternehmen hingegen starten oftmals bei Stufe 1 oder 2 und müssen viel Veränderungsbereitschaft und -kompetenz mitbringen, um sich weiterzuentwickeln.
Die Transformationsstufen im Einzelnen:
1. Konventionell: „Go with the law“: Unternehmen halten sich an gesetzliche Vorgaben wie bspw. die Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die CO2-Bepreisung, umweltrechtliche Auflagen oder das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz. Sie werden nur von Regulatorik angetrieben und handeln nicht aus intrinsischer Motivation. Damit tun sie das, was von ihnen verlangt wird, ohne darüber hinauszugehen. Da sowohl die EU- als auch die nationale Wirtschaftspolitik einen immer stärkeren Fokus auf ökologische und soziale Themen legt, sind diese Unternehmen gezwungen, mitzuziehen. Je stärker die Politik also Druck ausübt, desto mehr Unternehmen werden in diese erste Transformationsstufe geschoben.
2. Grün – „Do less harm“: Im nächsten Schritt gehen Unternehmen über die erlegten Auflagen hinaus und verstärken ihre Maßnahmen. Das heißt z.B., sie vermeiden und reduzieren ihre CO2-Emissionen, werden energieeffizienter, verringern ihre Abfallmengen und verbrauchen weniger Wasser. Dabei sind einige Unternehmen drastischer in ihren Maßnahmen als andere, aber insgesamt besteht eine innere Überzeugung, der Erde und der Gesellschaft weniger Schaden zufügen zu wollen. Zudem werden diese Unternehmen nicht so leicht von neuen Gesetzen überrascht. Anstatt wie ein konventionelles Unternehmen immer unter Zeitdruck zu reagieren, agieren diese Unternehmen proaktiv und sind damit verschärften Auflagen gegenüber gewappnet. Dennoch tragen sie weiterhin dazu bei, die Belastungen des Planeten zu verstärken. Sie verschlechtern die Situation zwar nicht mehr in einem hohen Maße, überschreiten aber immer noch planetare Grenzen.
3. Nachhaltig – „No additional harm“: Diese Unternehmen haben es geschafft, in ein Gleichgewicht zu kommen und innerhalb der planetaren Grenzen zu wirtschaften. Sie fügen der Erde keinen zusätzlichen Schaden mehr zu, indem sie bspw. klimaneutral und zirkulär wirtschaften. Damit nehmen sie nicht mehr, als sie geben. Dieser Schritt von „grün“ zu „nachhaltig“ ist ein großer Sprung und mit massiven Anstrengungen verbunden. Es stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen, denn die gesamte Art und Weise der Geschäftstätigkeit muss hinterfragt und geändert werden. Von der Geschäftsmodellumstellung als Kern jedes Unternehmens, bis hin zu zirkulären Produkten, nachhaltigen Produktionsprozessen und einer engen Zusammenarbeit mit Lieferanten und Partnern. Es gilt bei jeder Maßnahme, jeder Innovation und jeder Tätigkeit sensibel dafür zu sein, ob der Gesellschaft oder der Natur dadurch ein Schaden entsteht und planetare Grenzen überschritten werden.
4. Restaurativ – „Repair“: Viele Unternehmen stoppen bei Nachhaltigkeit. Das wäre vor gut 50 Jahren, als das erste Mal die „Grenzen des Wachstums“-Studie vom Club of Rome weitreichende Bekanntheit erhielt, auch noch kein Problem gewesen. Damals hatten wir die planetaren Grenzen noch nicht so weit ausgereizt, das mehr als ein nachhaltiges Wirtschaften von Nöten gewesen wäre. Wir wären bequem in den planetaren Grenzen geblieben, die Erde hätte sich nicht weiter erwärmt, Böden, Meere und Wälder wären nicht ausgeschöpft worden. Doch seitdem hat unser starkes Wachstum dafür gesorgt, dass wir weit über sechs von neun planetare Grenzen hinausgeschossen sind. Was wir heute also brauchen, ist nicht mehr nur „no additional harm“, sondern „repair“. Wir müssen unsere Ökosysteme reparieren, indem wir z.B. klimapositiv werden und damit mehr CO2 binden als wir ausstoßen, die Natur re-naturieren und Biodiversität aufbauen. Nur so kommen wir wieder von einem stark belasteten Erdsystem zurück in den grünen Bereich der planetaren Grenzen. Die kaum noch vorhandene Zeit ist dabei ausschlaggebende Faktor. Es macht Sinn, nachhaltige und restaurative Maßnahmen zusammenzudenken. Wie können wir als Unternehmen nicht nur dafür sorgen, dass kein Schaden entsteht, sondern dabei auch noch ein Ökosystem reparieren?
5. Regenerativ – „Reconnected“: Regenerative Unternehmen sind von ihrem Kern her darauf ausgerichtet, ökologische und soziale Systeme wiederherzustellen. Sie sorgen für eine Netto-Verbesserung des gesamten Ökosystems, und schaffen so einen großen positiven Wert für eine gesunde Mitwelt und Gesellschaft. Dabei sind sie sich im Klaren darüber, wie ihre Organisation mit der Mitwelt verbunden ist. Sie sind „reconnected“ sowohl mit ökologischen als auch sozialen Systemen und verstehen sich als Teil davon. Dafür ist ein systemisches Denken unerlässlich, denn kleine Veränderungen in einem Teil des Systems können erhebliche Auswirkungen auf andere Teile des Systems haben. Regenerative Unternehmen verfolgen also einen gesellschaftlichen Zweck, der für das gesamte sozialökologische System einen netto-positiven Mehrwert bedeutet. Sie sind in der Eigenwahrnehmung dafür da, soziale und/oder ökologische Probleme unternehmerisch zu lösen. Profit wird nur als Mittel zum Zweck verstanden, um den fortlaufenden Unternehmensbestand zu sichern. Das bedeutet einen damit verbundenen starken Paradigmenwechsel von einer profit-ori- entierten hin zu einer purpose-orientierten Organisation.
Es gibt nicht immer eine harte Abgrenzung zwischen den Stufen. Manche grüne Unternehmen können auch schon restaurative Ideen umgesetzt haben, ohne bereits komplett nachhaltig zu wirtschaften.
Die Methode „Transformationsstufen der Nachhaltigkeit“ soll Unternehmen vielmehr als grobe Einschätzung dienen, wo sie sich aktuell grundlegend mit ihrer Gesamtorganisation verorten, und ihnen zeigen, dass es mehr gibt als „nur“ Nachhaltigkeit. Es geht nicht darum, Einzelmaßnahmen zu entwickeln, sondern vielmehr den Möglichkeitsraum für die eigene Organisation zu entdecken und sich für weitere Begriffe neben Nachhaltigkeit zu sensibilisieren.