Wer weiß schon, wie unsere Arbeitswelt in zehn Jahren aussieht? Vielleicht gehen wir gar nicht mehr zur Arbeit, sondern schicken unseren persönlichen Avatar ins Büro, während wir selbst im Wald einen Spaziergang machen und nur noch für die komplizierten Fälle zuständig sind. Vielleicht müssen wir den Wald bei diesen komplizierten Fällen auch gar nicht mehr verlassen und auch kein Gerät wie ein Handy nutzen, sondern sehen direkt über eine Linse im Auge, was vor sich geht. Geben Sie es zu – das ist ein zugleich attraktiver wie auch beängstigender Gedanke, aber er ist auf jeden Fall recht visionär, nicht wahr?
Um eine Vision handelt es sich dabei aber noch nicht. Dazu müsste ausdiskutiert worden sein, ob es sich bei dem Gedanken wirklich um etwas Erstrebenswertes handelt, dem man so nachgehen will, dass man das Unternehmen verändert und davon strategische Maßnahmen abgeleitet werden. Eine Vision ist also ein „attraktiverZielzustand, den es zu erreichen gilt“43.(43 Kerstin Stolzenberg und Krischan Heberle: Change Management – Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten: Mitarbeiter mobilisieren. Vision, Kommunikation, Beteiligung, Qualifizierung, (Springer Verlag 2013), S.15.)
So bettet sich die Vision und deren Notwendigkeit dann auch in die digitale Transformation ein: Um Mitarbeitende mit auf die Reise in die digitale Welt zu nehmen, braucht es für sie einen erstrebenswerten Zielzustand, der so in den Köpfen verankert ist, dass die Veränderung namens Digitale Transformation angenommen, wenn nicht sogar gefördert wird.
Das Streben nach diesem Zustand ist in der Vision versprachlicht. „Die Vision ist der rote Faden, dem Maßnahmen im Rahmen der Veränderung folgen sollen, der eine Basis für Entscheidungen darstellt und der den Betroffenen die Möglichkeit bietet, sich mit den zukünftigen Veränderungen auseinanderzusetzen“44.(44 Ebd.,S.17.) Gibt es im Unternehmen keine Vision für die Digitale Transformation, wird die Digitale Transformation scheitern. Und selbst eine gute Vision ist unbrauchbar, wenn sie nicht jeden Mitarbeitenden in der Organisation erreicht und berührt hat – neben der Vision selbst ist daher auch die Kommunikation derselbigen unabdingbar.
Die Vision wirkt sinnstiftend auf die Mitarbeiter und ist sozusagen der Klebstoff, der alles zusammenhält, also muss auch aus ihr hervorgehen, wozu man diesen Zielzustand erreichen will.
Der Urvater aller Veränderungsbegleitungen, John P. Kotter45(45 John P. Kotter: Chaos Wandel Führung (Econ 1998).), nennt sechs wesentliche Merkmale, die eine Vision haben muss, damit sie „funktioniert“:
• Vorstellbar: Sie erzeugt ein klares Bild, wie die Zukunft aussehen wird. • Erstrebenswert: Alle Stakeholder fühlen sich von ihr angesprochen und stehen dahinter. • Machbar: Realistische und erreichbare Ziele sind verankert.
• Fokussiert: Sie ist deutlich genug formuliert, um als Entscheidungshilfe zu dienen.
• Flexibel: Wenn sich Gegebenheiten verändern, kann die Vision angepasst werden.
• Vermittelbar: Sie sind leicht zu kommunizieren und schnell zu erklären.