Wirtschaftswald - Zukunftswald

Wirtschaftswald – Zukunftswald

Bei dieser Outdoor-Übung modellieren Kleingruppen auf einem vorgegebenen Stück Waldboden mit Naturmaterialien den Wandel vom bestehenden Wald zu einem individuell gestalteten klimaresilienten „Zukunftswald“, diskutieren mögliche Ereignisse und Entwicklungen, die auf ihren Wald einwirken könnten, und reflektieren deren Auswirkungen.

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“. Dieses rund 2.500 Jahre alte Zitat des griechischen Philosophen Heraklit betrifft auch die Auswirkungen menschlichen Wirtschaftens auf die Wälder Mitteleuropas. Die Veränderung des natürlichen Waldbildes begann in Mitteleuropa in Folge des beginnenden Wanderfeldbaus bereits ca. 4000 v.Chr. Gleichwohl beschrieben vor rund 2000 Jahren die Römer Germanien noch als großflächig von Wald geprägtes Land. Doch seit der Zeitenwende hat sich die Situation unserer Wälder sowohl hinsichtlich ihrer Gesamtfläche als auch bezüglich ihrer Baumartenzusammensetzung stark verändert. Erste kleinere Rodungen fanden vor allem im Umfeld erster fester Siedlungen, zur Gewinnung von Holz als Baustoff und als Energieträger sowie zur Gewinnung von Ackerflächen. Großflächigere Rodungen begannen im frühen Mittelalter mit der Völkerwanderungszeit ab 500 n.Chr. bis 800 n.Chr., als das heutige Deutschland noch zu ca. 75 Prozent bewaldet war. Eine zweite Rodungsphase folgte von ca. 1100 bis 1300 n.Chr. Holz wurde damals in großer Menge als Bauholz für Gebäude und Schiffe, als Grubenholz im Bergbau und als Brennholz benötigt. Zudem war Holz Grundlage der Industrialisierung und wurde u.a. in der Eisenverhüttung, im Salinen- Betrieb, für die Gewinnung von Pottasche sowie für Glashütten, Köhlerei und Gerberei verwendet.

Neben der Bedeutung von Holz als Rohstoff war das zunehmende Motiv für großflächige Rodungen die Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen. Auch die Entwässerung von Wäldern, Torfabbau, Plaggenwirtschaft, Zeidlerei, Streunutzung und der Eintrieb von Vieh in die Wälder (Waldweide) trugen zur Auflichtung und Flächenreduktion bei. Damals war nicht der Holzvorrat der wichtigste Bewertungsmaßstab für den Wald, sondern die Anzahl der Schweine, die im Wald gemästet werden konnten. Am Ende dieser Rodungsphasen war der Waldanteil an der Gesamtfläche des Landes von ursprünglich ca. 90 Prozent auf teilweise unter 20 Prozent reduziert. Bis ins 18. Jahrhundert war der Wald der wichtigste industrielle Standortfaktor und damit das Pendant zu unseren heutigen Gewerbegebieten. Die zunehmende Nutzholznot führte dann erstmals zur Einführung waldbaulicher Vorgaben. Da der Ressourcen–Engpass nicht mit Einsparungen zu lösen war, musste Holz systematisch produziert werden, was den pflanzungsaktiven Waldbau einleitete. Für diesen eigneten sich aus verschiedenen Gründen statt der schwerfrüchtigen Eichen und Buchen vor allem Nadelholzarten, primär Fichte und Kiefer. In dieser Zeit liegt der Beginn einer geregelten Forstwirtschaft mit ersten Ansätzen einer nachhaltigen Nutzung. Das sich nach den Rodungsphasen und einem langsamen Wiederaufbau der Wälder ergebende Flächenverhältnis von zwei Dritteln Kulturland und einem Drittel Waldfläche entspricht ungefähr auch der heutigen Flächenverteilung.

Die Wälder in Mitteleuropa sind heute in größten Teilen eine über Jahrhunderte hinweg geschaffene, durch wirtschaftliche Interessen geprägte Kulturlandschaft. Nach den Rodungsphasen etablierten sich je nach wirtschaftlichen Notwendigkeiten sowie Besitz– und Standortsverhältnissen parallel zueinander verschiedene Nutzungssysteme wie Hutewald, Niederwald, Mittelwald, Hochwald und Plenterwald. Um das Jahr 1800 waren in Deutschland keine Urwälder und kaum noch geschlossene Wälder vorhanden. Entsprechend gibt es heute bei uns ursprüngliche Naturwälder nur noch auf marginalen Flächen in Gebirgen, in unzugänglichen Schluchten oder in Bereich von Mooren. Da der Wald unabhängig von seinem Nutzen für den Menschen in breiten Bevölkerungs- kreisen noch lange Zeit als gefährlicher und mit Räubern, wilden Tieren und bösen Geistern assoziierter Ort galt, wurden auch die Rodung und Ausbeutung der Wälder noch bis weit ins 19. Jahrhunderts vielfach als Kulturtat gesehen.

Ende des 18. Jahrhunderts liegen die Ursprünge der Forstwissenschaft und es erschienen die ersten Waldbau–Fachbücher. Nachdem bis dahin Holznutzung und Jagd das Forstwesen dominiert hatten, ging es nun vor allem um die Themen Saat und Pflanzung, um eine möglichst schnelle Wiederbewaldung kahler Flächen zu erreichen. Die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse führte bis Ende des 19. Jahrhunderts zu einem flächenhaften Aufbau gleichaltriger Baumbestände, den sogenannten Altersklassenwäldern. Diese aufgrund der Konkurrenzsituation zwischen den Einzelbäumen durch starkes Höhenwachstum geprägten und oftmals nur aus einer einzigen Baumart gepflanzten Bestände führten zu einer deutlichen Erhöhung der Holzmasse-Erträge. Ergänzt wurde dieses Ziel einer hohen Massenleistung durch vermehrten Anbau fremdländischer Baumarten wie Douglasie und Roteiche. Nach Ende des zweiten Weltkriegs wurden die aufgrund der großflächigen Reparationshiebe der Alliierten entstandenen Rodungsflächen ebenfalls mit Altersklassenwäldern wieder aufgeforstet, vielfach unabhängig von der Standortseignung mit Fichten oder Kiefern in Monokultur. Diese prägten bis zum Beginn des sogenannten Waldsterbens um 1980 großflächig die Wälder und stehen für ein Zeitfenster von rund 40 Jahren, in denen die Wälder mit dem Ziel einer Ertragsmaximierung in ihrer Struktur und Zusammensetzung so stark verändert wurden wie nie zuvor in der Waldnutzungsgeschichte.

Auch wenn durch die gesetzlich vorgeschriebene Rauchgasentschwefelung der Kraftwerke in den 1980er-Jahren der „saure Regen“ als Hauptauslöser des Waldsterbens vermindert und dadurch entschärft werden konnte, führten die Bilder abgestorbener Nadelholzbestände zu überfälligen Weichenstellungen: Verstärkte Förderung von Mischwäldern, Umbau der Wälder durch Naturverjüngung statt durch Pflanzung, verschärfte Schalenwild–Bejagung, Ausbau der Sozialfunktion der Wälder und verstärkte Ökosystemforschung. Die mit Wiebke 1990 und Lothar 1999 beginnenden schweren Winterstürme und nachfolgenden Borkenkäfer-Massenvermehrungen in Fichtenbeständen führten bis ca. 2010 erneut zu großflächigen Waldschäden und zu einer Waldsterbens-Diskussion 2.0. Mit dem Hitzesommer 2003 begann eine neue Stress-Epoche für die Wälder, die zu Schadsymptomen an nahezu allen Hauptbaumarten führte und neue Infektionen z.B. an Eschen (Eschentriebsterben) und Ahorn (Rußrindenkrankheit) mit sich brachte. Die aktuellen Debatten um die Zukunft der Wälder sind von den Themen Klimaanpassung und Klimaresilienz geprägt. Welche Baumarten und Baumartenmischungen eignen sich für die sich ändernden klimatischen Verhältnisse? Wie müssen Wälder aussehen, damit sie möglichst stabil und resilient sind? Wie kann die Kohlenstoff–Senken–Leistung von Wäldern optimiert werden?

Neben waldbaulichen Fragen begleiten zahlreiche weitere Themen den „beständigen Wandel“ der Waldnutzung, die die ökonomischen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Bedürfnisse der jeweiligen Zeit und damit die große Bedeutung der Multifunktionalität der Wälder widerspiegeln: Waldwegebau und Holzerntemaschinen, Trimm-dich-Pfade und Grillplätze, Wanderwege und Mountainbike-Trails, Spielplätze und Waldkindergärten, Geocaching und Hochseilgärten, Nationalparke und Natura 2000-Gebiete, Wildkatze und Wolf, Wildbienen und Hirschkäfer, Zecken und Fuchsbandwurm, Bannwälder und Totholz, Ökosystemleistungen und Klimaschutz, Bioökonomie und Agroforst, Friedwälder und Windenergie, Waldworkshops und Waldbaden. Dass sich Bedürfnisse auch sehr kurzfristig ändern können, hat der Einfluss des Coronavirus auf das Freizeitverhalten der Menschen deutlich gemacht, die während der Pandemie so oft im Wald unterwegs waren wie jahrzehntelang zuvor nicht mehr.

Im Gegensatz zu den vielfach kurzfristigen Bedürfnis–Veränderungen der Menschen gegenüber dem Wald steht der Wald selbst als langlebiges Ökosystem, dessen Bäume je nach Baumart mehrere hundert Jahre alt werden können. Sich mit Wald zu beschäftigen, bedeutet daher, generationenübergreifend und zukunftsorientiert zu denken, zu planen und zu wirtschaften. Wir leben heute mit waldbaulichen Entscheidungen, die am Ende des zweiten Weltkriegs getroffen wurden und aus damaliger Sicht richtig waren, heute aber so nicht mehr getroffen würden. Entsprechend haben unsere heutigen nach bestem Wissen und Gewissen getroffenen waldbaulichen Entscheidungen Auswirkungen für unsere Enkel- und Urenkel-Generation und wir wissen nicht, was diese in hundert Jahren von unseren Entscheidungen halten werden. Der eigene Blick auf den Wald ist immer nur eine Momentaufnahme in ein Ökosystem, das eine deutlich längere Lebenserwartung hat als wir selbst.

Bei der Outdoor-Übung „Wirtschaftswald – Zukunftswald“ geht es darum, in Kleingruppen auf einer ausgewiesenen Fläche Waldboden mit Naturmaterialien den Wandel vom aktuellen Wald zu einem Zukunftswald zu modellieren. Ziele der Übung sind das Erfassen des „beständigen Wandels“ am Beispiel des Waldes, Diskussionen über aktuelle und künftige Aufgaben, Funktionen und Entwicklungen des Waldes sowie der Aufbau eines individuellen Zukunftswaldes. Die Übung selbst fördert die Teamarbeit, das Abstraktionsvermögen bzgl. künftiger Entwicklungen, das Prozessverständnis sowie langfristiges Denken und Planen. Die Nachhaltigkeitsrelevanz der Übung besteht vor allem im bewussten Nachvollziehen des „beständigen Wandels“, der Prozessdynamik und der „nachhaltigen Entwicklung“ während der aktiven Gestaltung des eigenen Zukunftswaldes.

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