Zur digitalen Transformation gehört es dazu, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu etablieren. Dazu finden Sie in diesem Buch viele hilfreiche Methoden, die Sie bei verschiedenen Szenarien unterstützen.
Im Kontext der Entwicklung von digitalen Produkten & Services haben in der Praxis viele Unternehmen häufig Probleme damit, diese Methoden sinnvoll und ganzheitlich zu kombinieren, um eine Idee zu generieren, aus dieser ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu gestalten und die ersten Kunden zu akquirieren.
Um erfolgreich digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, werden einerseits ein interdisziplinäres Team und das entsprechende Umfeld zum freien, kreativen Arbeiten benötigt. Andererseits werden auch die richtigen Werkzeuge/Methoden und ein entsprechender Prozess benötigt. Das Framework „DELAG+“ bietet einen Vorschlag für den ganzheitlichen Prozess mit einem vorausgewählten Werkzeugkasten.
„Standing on the shoulders of giants.“
Die im Framework benutzten und von Experten entwickelten Methoden sind keinesfalls neu und größtenteils in diesem Buch beschrieben. Das Framework bringt diese in ein gemeinsames Grundgerüst, um digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Dazu gehören vor allem folgende Makro-Methoden:
• Design Thinking soll sicherstellen, dass wir uns kundenzentriert auf die richtigen Problemstellungen konzentrieren
• Lean Startup soll sicherstellen, dass wir schlank arbeiten, unsere Annahmen hinterfragen und durch Fehler kontinuierlich lernen und verbessern
• Agile Methoden sollen sicherstellen, dass wir während der Umsetzung flexibel bleiben und auf sich ändernde Anforderungen reagieren können
• Growth Hacking soll sicherstellen, dass wir die obigen Methoden auch in das Marketing transferieren, um kreativ, schlank, agil und datengetrieben Kunden akquirieren
• + Strategizing soll sicherstellen, dass wir an einer gemeinsamen Vision arbeiten, ein skalierbares Geschäftsmodell aufbauen und die Methoden ineinander übergreifen können
„Lag“ bedeutet „nachh.ngen“, „dahinkriechen“ oder „langsam vergehen“. Das als Akronym gebildete Kunstwort DELAG+ soll als Framework dagegenwirken, indem Geschäftsmodelle durch die Methoden schlank und schnell entwickelt und somit Verzögerungen durch eine Integration der verschiedenen Phasen und Methoden vermieden werden können.
Die DELAG+-Phasen
Ein Produkt hat im Gegensatz zu einem Projekt erst einmal kein festgesetztes Enddatum. Daher gibt es immer wiederkehrende Aktivitäten bei der Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen, die kontinuierlich und iterativ durchlaufen werden, solange das Produkt existiert, es erfolgreich ist und man es aktiv weiterentwickeln möchte.
Der Zyklus kann dabei in verschiedene Phasen unterteilt werden. Diese Phasen lassen sich nach agiler Vorgehensweise in Sprints durchlaufen. Jede Phase bringt bestimmte Ziele mit sich, auf die sich diese Phase konzentriert. Um diese Ziele zu erreichen, werden bestimmte Methoden durchgeführt, durch die wiederum Artefakte bzw. Ergebnisse („Deliverables“) entstehen. Die Methoden sind in DELAG+ so ausgewählt, dass die entstehenden Artefakte durchgängig zwischen den Phasen durchgereicht und weiterverwendet werden können. Es sind handfeste Ergebnisse, wie z. B. Personas, Designs, User Stories oder ein Prototyp. Artefakte sind somit in DELAG+ quasi die Bindeglieder zwischen den Phasen.
Die Sprints der Phasen können beliebig verknüpft und kombiniert werden. Zu Beginn liegt der Fokus meist auf Strategy Sprints und Discovery Sprints. Bei Beginn der Umsetzung gibt es vermutlich mehrere Delivery Sprints. Aber die verschiedenen Sprints können auch bspw. in Form von „Dual-Track Agile“ (im Buch beschrieben) kombiniert und synchron oder sequenziell durchlaufen werden. Dies kommt immer auf Organisation, Team, Kontext, Umgebung, Rahmenbedingungen und Produkt an. Was in DELAG+ aber konstant ist, ist ein übergreifender Wertfluss durch die Schaffung von wiederverwendbaren Artefakten zwischen den Phasen. Dieser kann idealerweise in einem Kanban Board festgehalten werden:
Doch welche Phasen werden in DELAG+ durchlaufen, um ganzheitlich Geschäftsmodelle zu entwickeln – von der Ideenfindung bis zur Umsetzung und Vermarktung?
Dazu schauen wir uns die Definition eines Geschäftsmodell nach Alexander Osterwalder an:
„Ein Geschäftsmodell beschreibt das Grundprinzip, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst.“
Doch was genau ist ein Wert, ein Wertversprechen bzw. eine „Value Proposition“? Und wie können wir diesen schaffen, vermitteln und ausliefern? Eine Value Proposition entsteht, wenn wir Kunde, Problem und Lösung zusammenbringen. Wir müssen validieren, dass eine bestimmte Zielgruppe ein Problem hat und wir dieses Problem mit einer Lösung bzw. einem Wertversprechen adressieren können. Diesen Meilenstein nennt man „Problem-Solution- Fit“.
Dies reicht aber noch nicht für ein tragfähiges Geschäftsmodell – eine Value Proposition allein genügt nicht. Wir müssen also zusätzlich validieren, dass die relevante Zielgruppe sich für diese Lösung interessiert, gegenüber anderen L.sungen vorzieht und bereit ist, dafür etwas zu bezahlen (Entstehen einer „Unique Value Proposition“). Diesen Meilenstein nennt man „Product- Market-Fit“.
Wir haben ein relevantes Problem einer Zielgruppe identifiziert, wir können dieses adressieren und die Zielgruppe ist bereit, dafür Geld zu bezahlen. Allerdings fehlt neben der Value Proposition noch das Geschäftsmodell selbst, in das wir diese Value Proposition einbetten können, damit wir diese auch skalierbar schaffen, vermitteln und ausliefern können und der Umsatz am Ende dabei größer ist als die Kosten. Diesen Meilenstein nennt man „Business Model Fit“.
Mit dem Geschäftsmodell in Kombination mit der Unique Value Proposition müssen wir also sicherstellen, dass wir diesen Wert skalierbar erschaffen („Desirability“/Wünschbarkeit), vermitteln „Feasibility“/Machbarkeit) und erfassen können („Viability“/Rentabilität).
Die „Desirability“ bezieht sich auf die Erschaffung des Wertes: Eine Zielgruppe hat ein Problem, welches wir mit unserem Wertversprechen adressieren (Problem-Solution-Fit). Diesen Schritt nennen man auch “Customer Discovery”
Die Zielgruppe interessiert sich für die Lösung, präferiert es gegenüber anderen Lösungen und ist bereit, etwas zu bezahlen (Product-Market-Fit). Diesen Schritt nennt man auch „Customer Validation“.
Die „Feasibility“ bezieht sich auf die Vermittlung des Wertes: Wir müssen die Lösung und Wertschöpfung skalierbar erschaffen und ausliefern können.
Die „Viability“ bezieht sich auf die Erfassung des Wertes: Wir müssen sicherstellen, dass wir profitabel sein können und die Kosten langfristig geringer sind als die Einnahmen.
Wenn wir zusammen mit der „Desirability“ auch die „Feasibility“ und „Viability“ des Geschäftsmodells sichergestellt haben, nennen wir diesen Schritt „Customer Creation“ (Business Model Fit).
Diese verschiedenen Schritte und Meilensteine werden in DELAG+ in folgende Phasen abgebildet:
1. Discovery Sprint mit Fokus auf „Desirability“
2. Delivery Sprint mit Fokus auf „Feasibility“
3. Growth Sprint mit Fokus auf „Viability“
4. Strategy Sprint mit Fokus zur langfristigen Planung und übergreifenden Synchronisierung
Ein übergreifender Wertfluss kann wie folgt aussehen:
• Discovery: Hypothese → Test → Validiertes/falsifiziertes Ergebnis
• Strategy: Priorisierung und Verfeinerung der Ergebnisse sowie Dokumentierung der Anforderungen für Umsetzung
• Delivery: Dokumentierte Anforderungen aus validierten Ergebnissen → Umsetzung → Review → fertiggestellt
• Growth: Fertiggestellte Ergebnisse → Vermarktung im Funnel → Akquise von Kunden