Die meisten neuen Produkte sind Kombinationen aus bereits vorhandenen Informationen. Kombiniert werden können Technologien, Anwendungsprinzipien, Produkte oder sogar komplette Geschäftsmodelle. Grundsätzlich gilt: Eine neue Idee ist eher eine Entdeckung, als eine Erfindung.
Genau auf diesem Prinzip basiert Cross Industry Innovation. Es ist eine sehr verbreitete Herangehensweise, daher möchte ich sie in diesem Artikel einmal näher beleuchten.
Wann hilft mir Cross Industry Innovation?
Zunächst einmal in dieser Ansatz sicherlich eine Art Buzzword und es lässt sich wenig Konkretes darunter vorstellen. Daher fangen wir von vorne an. Es ist zunächst wichtig zu wissen, dass es sich bei dieser Art Innovation mindestens um radikale Innovationen handelt, denn eine Kombination mit etwas ganz anderem bringt in der Regel etwas vollkommen Neues, nie Dagewesenes hervor. Das bedeutet im Umkehrschluss, wenn ich grundsätzlich nur kleine schrittweise Verbesserungen an meinem Service oder Produkt vornehmen möchte (also inkrementelles Innovieren), dann scheidet der Cross Industry Ansatz aus.
Neben der Bereitschaft, wirklich neue Dinge hervorbringen zu wollen, setzt die Cross Industry Innovation auch die strategische Bereitschaft voraus, sich mit anderen Branchen auseinanderzusetzen. Branchen, mit denen man selbst bis dahin womöglich keinerlei Berührungspunkte hatte. Man muss grunsätzlich bereit sein, sich tief von ihnen inspirieren zu lassen, auch wenn dies zur Konsequenz hat, dass man sein eigenes Produkt vollkommen auf den Kopf stellen muss. Des Weiteren muss einem bewusst sein, dass ein erfolgreich eingesetzter Cross Industry Ansatz in der Regel Kooperationen mit anderen Unternehmen bedeutet. Auf dem Markt erfolgreich platzierte Verfahren und Mechanismen lassen sich schließlich nicht einfach kopieren.
Beispiele für erfolgreiche Cross Industry Innovationen
Bereits viele große Namen haben mit dem Cross Industry Ansatz erfolgreiche Innovationen hervorgebracht. Einige Beispiele habe ich hier einmal aufgelistet:
- Automobil- und Gamingbranche: der iDrive von BMW basiert auf der Idee des Joysticks aus der Computerindustrie
- Getränke und Medizin: der Coca Cola Freestyle-Getränkeautomat nutzt Dosiertechnologie der Medizintechnik
- Kaffee- und Laborindustrie: der Milchschäumer Aeroccino von Nespresso verwendet das magnetische Antriebsprinzip von Labormischern
- Schuhe und Rennsport: die Nike Shox Dämpfung stammt technologisch von Stoßdämpfern aus der Formel 1 ab
- Textilverarbeitung und Computertechnologie: der Nähfuß des Textilmaschinenhersteller Bernina setzt den optischen Sensor einer Computermaus ein
- Kosmetik und Autowaschanlagen: Beiersdorf setzt bei dem Nivea Deodorant „Black & White“ eine Substanz ein, die man in Autowaschanlagen findet
Nachdem wir uns nun mit Voraussetzungen und Anwendungsbeispielen beschäftigt haben, stellt sich die entscheidende Frage: Wie lässt sich Cross-Industry-Innovation umsetzen? Mit dem Model Concept – Combine – Create.
Concept (Why)
Im ersten Schritt bringen wir das Problem auf ein höheres Abstraktionslevel. Hier helfen Fragen wie:
- Was genau ist das Problem?
- Welche weiteren Fragen ergeben sich daraus?
Wir nehmen einmal das Beispiel BMW iDrive: Wie lautet das Problem? Mit dem Einsatz eines Bildschirms im Auto werden die Auswahlmöglichkeiten des Fahrers deutlich erhöht. Eine komplexe Tastenkombination (wie bis dato üblich) allerdings lenkt den Fahrer vom Verkehr ab. Welche alternativen Steuerungsmöglichkeiten gibt es?
Combine (What If)
Im zweiten Schritt suchen wir in anderen Branchen nach ähnlichen Problemstellungen und möglichen Lösungen. Beispiel: In welcher anderen Situation wird eine manuelle Bedienung eingesetzt, die keiner besonderen Aufmerksamkeit bedarf, die aber komplexe Vorgänge steuert – Antwort: Die Gaming Industrie. Hier wird der Joystick zur Bedienung von Computerspielen genutzt.
Create (How)
Im dritten Schritt werden möglichst viele Informationen über das Kombinationskonzept gesucht und die Erkenntnisse auf die eigenen Produkte angewandt. Beispiel:
- Wie genau funktioniert die Steuerung bei Joysticks?
- Gibt es unterschiedliche Methoden?
- Welche Materialien werden verwendet?
Unter der Voraussetzungen, dass die strategische Bereitschaft gegeben ist, sich mit vollkommen neuen Branchen auseinanderzusetzen und sich von ihnen inspirieren zu lassen, kann die Anwendung dieser drei Schritte spannende neue Ideen liefern. Wichtig an dieser Stelle: die Umsetzung der einzelnen Schritte kann, bei tiefer Auseinandersetzung, längere Zeit in Anspruch nehmen. Dies muss man sich immer wieder bewusst machen, gerade dann, wenn ein erster Blick in andere Branchen nicht sofort die vielversprechende Idee produziert.
Ähnlicher Ansatz: Analogiemethode
Einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgt die Analogiemethode. Im Kern geht es bei dieser Methode ebenfalls darum, mithilfe der richtigen Fragestellungen, Lösungen und Ansätze aus anderen Bereichen für sein eigenes Problem nutzbar zu machen. Die Analogiemethode verfolgt diesen Ansatz jedoch, im Unterschied zur Cross Industry Innovation, auf einer anderen Flughöhe. Wo der Cross Industry Ansatz mindestens radikale Innovationen hervorbringt, kann die Analogiemethode auf bei inkrementeller Intention helfen. Im Gegensatz zu anderen Branchen werden bei dieser Methode Parallelen zu strukturell ähnlichen Dingen des täglichen Lebens genutzt, die Methode ist daher deutlich niedrig schwelliger und somit auch für ungeübte Teams geeignet.
Fazit: Cross Industry Innovation kann ein guter Ansatz sein
Die erfolgreichen Beispiele der großen Namen zeigen klar, dass der Cross Industry Innovation Ansatz ein äußerst vielversprechender ist. Zurecht ist er daher auch sehr bekannt und weit verbreitet. Trotzdem muss dieser Ansatz nicht zwangsläufig auch der beste Weg in einem radikalen Innovationsvorhaben sein, Design Thinking kann sich zum Beispiel ebenso eignen. Die Wahl des richtigen Ansatzes hängt von vielen Faktoren ab – Ziel, verfügbare Ressourcen, strategische Bereitschaft, wirtschaftliche Ausgangslage, um nur einige zu nennen.