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Inhaltsverzeichnis

Strukturierte vs. unstrukturierte Probleme

Viele Menschen haben das Gefühl der Überforderung in der heutigen Zeit. Dies hat in weiten Teilen mit der Zunahme an unstrukturierten Problemstellungen zu tun, mit denen wir in vielen Bereichen des täglichen Lebens konfrontiert werden. Diese Herausforderungen benötigen ein anderes Vorgehen als strukturierte Probleme. Daher möchte ich hier die Unterscheide zeigen und beschreiben, wie Lösungsmöglichkeiten aussehen.

Die Unterschiede zwischen strukturierten und unstrukturierten Problemen

Hier findest du drei Unterschiede zwischen strukturierten und unstrukturierten Problemen, jeweils beschrieben mit passenden Beispielen:

Unterschied 1: Klarheit der Problemstellung

Strukturierte Probleme sind klar definiert und werden in der Regel gut verstanden. Sie haben eine eindeutige Problemstellung, bekannte Variablen und können in der Regel gut beschrieben werden. Strukturierte Probleme sind oft einfacher zu lösen, da sie auf etablierten Regeln, Prozessen oder Algorithmen basieren.

Beispiel: Ein Unternehmen möchte den Break-even-Punkt für ein bestimmtes Produkt berechnen. Es kennt die variablen Kosten, die fixen Kosten und den Verkaufspreis des Produkts. Das Problem ist klar definiert, und die Berechnung des Break-even-Punkts kann mithilfe einer bekannten Formel durchgeführt werden.

Unstrukturierte Probleme hingegen sind oft unklar, vage oder schlecht definiert. Sie enthalten viele unbekannte oder schwer messbare Variablen und können sich im Laufe der Zeit ändern. Unstrukturierte Probleme sind in der Regel schwieriger zu lösen, da sie nicht auf etablierten Regeln oder Prozessen basieren und oft kreative oder innovative Ansätze erfordern.

Beispiel: Eine Firma bemerkt, dass die Mitarbeitermotivation in letzter Zeit gesunken ist, kann aber die genauen Gründe dafür nicht identifizieren. Dieses Problem ist unklar und erfordert eine eingehende Untersuchung, um die Faktoren zu erkennen, die zur sinkenden Motivation beitragen, und um geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu entwickeln.

Unterschied 2: Komplexität

Strukturierte Probleme sind in der Regel weniger komplex, da sie auf bekannten Parametern und einem festgelegten Lösungsweg basieren. Sie können in der Regel in kleinere, leichter lösbare Teile zerlegt werden.

Beispiel: Ein Unternehmen hat eine begrenzte Anzahl von Werbeplätzen in verschiedenen Medien und möchte das optimale Werbebudget auf diese Medien aufteilen, um die höchstmögliche Reichweite zu erzielen. Dieses Problem kann mithilfe von linearen Programmierungstechniken gelöst werden, die auf bekannten Daten und Zielen basieren.

Unstrukturierte Probleme sind oft komplexer, da sie von mehreren, miteinander verknüpften Faktoren beeinflusst werden und keine eindeutige Lösung haben. Sie erfordern ein hohes Maß an kritischem Denken, Analyse und kreativer Problemlösung, um zu einer Lösung zu gelangen.

Beispiel: Ein Unternehmen möchte eine komplett neue Geschäftsidee entwickeln, um in einem umkämpften Markt zu bestehen. Dieses Problem ist komplex, da es viele unbekannte Variablen und Faktoren gibt, die den Erfolg der Geschäftsidee beeinflussen können. Es erfordert Kreativität, Marktforschung und Experimentieren, um eine erfolgversprechende Geschäftsidee zu entwickeln.

Unterschied 3: Lösungsansätze

Strukturierte Probleme können in der Regel durch standardisierte, lineare Lösungsansätze gelöst werden, die auf etablierten Regeln oder Algorithmen basieren. Dazu gehören mathematische Modelle, Prozessdiagramme und andere systematische Ansätze.

Beispiel: Eine Firma möchte ihre Lagerbestände optimieren, um sowohl Überbestände als auch Lieferengpässe zu vermeiden. Es gibt standardisierte Lösungsansätze, die zur Optimierung von Lagerbeständen angewendet werden können.

Unstrukturierte Probleme erfordern hingegen kreative, innovative und oft unkonventionelle Lösungsansätze. Dazu gehören Brainstorming, Design Thinking und andere kollaborative, experimentelle Methoden. Unstrukturierte Probleme können auch eine Kombination aus verschiedenen Lösungsansätzen und interdisziplinärem Denken erfordern, um eine erfolgreiche Lösung zu finden.

Beispiel: Ein Unternehmen möchte seine Unternehmenskultur verbessern, um die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung zu erhöhen. Es gibt keine festgelegte Lösung oder Formel, um dieses Problem zu lösen. Stattdessen müssen verschiedene Ansätze ausprobiert werden, wie zum Beispiel die Verbesserung der internen Kommunikation, die Einführung von flexiblen Arbeitszeiten oder das Schaffen von Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung.

Gründe für die Zunahme unstrukturierter Probleme

Es gibt unterschiedliche Gründe für die Zunahme unstrukturierter Probleme, insbesondere im Business-Kontext. Einige davon sind:

Wachsende Komplexität

Die Welt wird zunehmend vernetzt und komplexer, und Unternehmen müssen sich mit einer Vielzahl von Faktoren wie globalen Märkten, neuen Technologien und sich ändernden Kundenbedürfnissen auseinandersetzen. Diese Faktoren können zu unstrukturierten Problemen führen, da es schwieriger wird, klare Lösungen für komplexe Herausforderungen zu finden.

Schnellerer Wandel

Der technologische Fortschritt und die Globalisierung haben zu einer erhöhten Geschwindigkeit von Veränderungen in vielen Branchen geführt. Unternehmen müssen sich schnell an neue Trends und Entwicklungen anpassen, was zu unstrukturierten Problemen führen kann, für die es keine festgelegten Lösungen gibt.

Wettbewerbsdruck

Der zunehmende Wettbewerb auf globalen Märkten zwingt Unternehmen, sich ständig weiterzuentwickeln und neue Wege zu finden, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen mit unstrukturierten Problemen konfrontiert werden, wenn sie versuchen, innovative Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Informationsüberflutung

Die Fülle an verfügbaren Informationen in der heutigen Zeit kann es schwierig machen, relevante Informationen von unwichtigen zu unterscheiden und auf dieser Basis fundierte Entscheidungen zu treffen. Dies kann unstrukturierte Probleme verschärfen, da die Lösung von solchen Problemen oft die Fähigkeit erfordert, eine Vielzahl von Informationen effektiv zu analysieren und zu nutzen.

Steigende Kundenansprüche

Kunden sind heute besser informiert und haben höhere Erwartungen an Produkte und Dienstleistungen. Unternehmen müssen sich diesen steigenden Ansprüchen stellen und innovative Lösungen entwickeln, um ihre Kunden zufriedenzustellen. Dies kann unstrukturierte Probleme hervorrufen, da es keine festgelegten Lösungen gibt, um die unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche aller Kunden zu erfüllen.

Unstrukturierte Problemen als Herausforderung im Arbeitsalltag

Viele Menschen haben Schwierigkeiten mit der Bewältigung unstrukturierter Probleme. Insbesondere wenn diese in Situationen mit hohem Druck auftreten, kann man folgende Verhaltensweisen beobachten:

Unentschlossenheit

Personen, die Schwierigkeiten haben, unstrukturierte Probleme anzugehen, neigen dazu, unentschlossen zu sein. Es fällt ihnen schwer, Entscheidungen zu treffen. Dies führt dazu, dass sie endlos Informationen sammeln und analysieren, ohne jemals zu einer Lösung oder Entscheidung zu gelangen (auch bekannt als „Analyse-Paralyse“).

Unflexibilität

Einige Menschen sind weniger offen für Veränderungen und neue Ideen und haben in komplexen Situationen Schwierigkeiten, ihre Denkweisen und Vorgehensweisen anzupassen. Diese Unflexibilität kann es schwierig machen, unstrukturierte Probleme effektiv zu bewältigen, da solche Probleme oft kreative und unkonventionelle Lösungen erfordern. Hier helfen oft Methoden zur Ideenfindung, um den Denkkorridor zu erweitern.

Frustration und Stress

Unstrukturierte Probleme können für manche Menschen überwältigend sein, da sie Unsicherheit und Komplexität mit sich bringen. Dies führt oft zu Stress und Frust, wenn sie mit solchen Problemen konfrontiert werden, was wiederum ihre Problemlösungsfähigkeiten weiter beeinträchtigen kann. Eine Frustspirale kann entstehen.

Schnelle Urteilsbildung

Manche Menschen sind schnell dabei, vorschnelle Schlussfolgerungen zu ziehen und sich auf eine bestimmte Lösung festzulegen, ohne das Problem gründlich zu analysieren und verschiedene Lösungsansätze in Betracht zu ziehen. Dieses Verhalten kann dazu führen, dass sie weniger effektive Lösungen für unstrukturierte Probleme finden.

Isolation

Einige Menschen ziehen es vor, allein an Problemen zu arbeiten, anstatt die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen zu suchen. Bei unstrukturierten Problemen kann dies jedoch weniger effektiv sein, da der Austausch von Wissen und Erfahrungen oft dazu beiträgt, bessere Lösungen zu finden. Es gibt zwar Ideenfindungsmethoden wie die Lateral Map, die auch alleine gute Ergebnisse liefern, aber die Qualität der Lösungen wird durch die unterschiedlichen Perspektiven in einem multidisziplinären Team immer besser.

Fokussierung auf Details

Manche Menschen neigen dazu, sich auf Details und Einzelheiten zu konzentrieren, anstatt das große Ganze zu sehen. Bei unstrukturierten Problemen kann diese Detailorientierung dazu führen, dass sie den Überblick über das zugrunde liegende Problem verlieren und Schwierigkeiten haben, Prioritäten zu setzen. Hilfreich ist hier oft eine Methode wie das bekannte Mindmapping, das Informationen zusammenhängend in eine Übersicht bringt.

Risikoaversion

Manche Menschen scheuen Experimente und unkonventionelle Ansätze, die bei der Bewältigung unstrukturierter Probleme hilfreich sein können. Diese Risikoaversion kann dazu führen, dass sie sich auf bewährte und bekannte Lösungen konzentrieren, die möglicherweise weniger effektiv sind, um komplexe und unstrukturierte Probleme zu lösen.

Denkansätze und Verhaltensweisen zur Lösung unstrukturierte Probleme

Problemanalyse: Versuche zu Beginn, das Problem genau zu analysieren und alle relevanten Faktoren und Variablen zu identifizieren. Nutzen Methoden wie die Mind Map um alle Informationen sichtbar zu machen. Schreibe dir Fragen auf, sammeln Informationen und suche nach Zusammenhängen, um das Problem besser zu verstehen. Das Ishikawa Diagramm kann dabei helfen, Ursachen und Wirkungen zu verstehen. Wenn Dir das Problem nicht gefällt, nutze den Problem Tackler, der schwierige Probleme in spannende Herausforderungen verwandelt.

Kreatives Denken: Bei der Arbeit mit unstrukturierten Problemen hilft es kreativ und innovativ zu denken, um neue Lösungen zu finden. Unstrukturierte Probleme erfordern eine große Offenheit für unkonventionelle Ideen und Ansätze, die über den traditionellen Rahmen hinausgehen. Spannende Methoden für dein Team sind hier die Reizbildmethode, SCAMPER oder auch das Force Fit Game. Oft wird in diesem Zusammenhang auch von Lateralem Denken gesprochen, ein Ansatz der darauf abzielt, ungewöhnliche oder unkonventionelle Lösungen für Probleme zu finden, indem man neue Perspektiven und Denkrichtungen erforscht. Laterales Denken ermutigt dazu, über den Tellerrand zu schauen und unerwartete Verbindungen oder Ideen zu entdecken, die zu innovativen Lösungen führen können.

Kritisches Denken: Kritisches Denken hilft, logisch und strukturiert über ein Problem nachzudenken und dabei Hypothesen, Annahmen und Schlussfolgerungen zu hinterfragen. Dieser Ansatz fördert eine gründliche Analyse des Problems und die Bewertung von Lösungsalternativen auf der Grundlage von Fakten und Beweisen.

Hypothesenbasiertes Denken: Dieser Ansatz besteht darin, Hypothesen oder Annahmen über das Problem aufzustellen und dann systematisch zu testen, um ihre Gültigkeit zu überprüfen. Dies kann dazu beitragen, die Unsicherheit in unstrukturierten Problemen zu reduzieren und die Problemlösung zu beschleunigen.

Anpassungsfähigkeit: Angesichts unstrukturierter Probleme ist Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eine wichtige Persönlichkeitseigenschaft. Deine Bereitschaft ist nötig, Strategien und Vorgehensweisen zu ändern, wenn sich neue Informationen oder Umstände ergeben. Sei offen für das Lernen aus Fehlern und Rückschlägen, dabei helfen können Denkansätze wie die Lean Startup Methode.

Zusammenarbeit: Bei der Konfrontation mit unstrukturierten Probleme suchen viele Menschen die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen. Die gemeinsame Arbeit und das Teilen von Wissen und Erfahrungen kann in vielen Fällen zu besseren Lösungen führen. Methoden wie das Team-Thermometer helfen dabei die Teamdynamiken zu verstehen und sichtbar zu machen.

Ausdauer: Unstrukturierte Probleme können frustrierend und schwierig sein. Eine hohe Ausdauer und Beharrlichkeit ist für die Lösung notwendig. Du musst bereit sein, dich weiterhin mit dem Problem auseinanderzusetzen, auch wenn du auf Schwierigkeiten stößt oder keine sofortigen Lösung findest.

Experimentieren und Testen: Bei der Bewältigung unstrukturierter Probleme ist das Experimentieren und Testen verschiedener Ansätze und Lösungen eine wichtige Aktivität. Dazu ist die Bereitschaft wichtig, Risiken einzugehen und die Ergebnisse der Experimente zu analysieren, um kontinuierlich zu lernen und deine Strategien anzupassen. Retrospektiven oder Techniken wie der AAR-Rückblick sind hier hilfreich.

Fokussierung auf das große Ganze: Versuche, das große Ganze zu sehen und das Problem im Kontext seiner Umgebung und seiner langfristigen Auswirkungen zu betrachten. Setze Prioritäten und konzentriere dich auf die wichtigsten Aspekte des Problems, ohne dass du dich in Details verlierst.

Design Thinking: Design Thinking ist ein nutzerzentrierter Ansatz, der darauf abzielt, Probleme durch das Verstehen der Bedürfnisse und Wünsche der Nutzer oder Kunden zu lösen. Dieser Ansatz umfasst verschiedene Phasen wie Empathie, Problemdefinition, Ideenfindung, Prototyping und Testen, um iterativ zu Lösungen zu gelangen, die den Bedürfnissen der Nutzer gerecht werden.

geschrieben vonChristian Buchholz