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Inhaltsverzeichnis

Vom Fixed Mindset zum Growth Mindset: Ein Vier-Phasen-Framework

In der Innovationsarbeit stößt man immer wieder auf das Thema Mindset. Und das ist auch gut so! Aus meiner Sicht steht die Arbeit am Mindset am Anfang aller Innovationsarbeit. Es ist die Grundlage eines jeden Vorhabens. Ich persönlich bin sogar so weit zu sagen, dass jedes noch so gut geplante Innovationsvorhaben scheitert, wenn das Mindset nicht stimmt.

Und weil das aus meiner Sicht so zentral ist, habe ich auch bereits in diesem Artikel einmal beschrieben, was meiner Meinung nach ein innovatives Mindset überhaupt ausmacht.

Zu wissen, was ein innovatives Mindset ausmacht und wie man ein solches bei sich und anderen Menschen erkennt ist aber natürlich nur die halbe Miete. Was tun, wenn man feststellt, dass man selbst dort gar nicht ist? Wie kommt man dorthin? Aber beginnen wir von vorne.

Als ich begann, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, stellt ich fest: Es gibt ein weites Spektrum an Mindsets, jedoch sind die bekanntesten das Fixed Mindset und das Growth Mindset.

Menschen mit einem Fixed Mindset neigen dazu, ihre Fähigkeiten und Talente als fest angeborene und unveränderte Eigenschaften zu sehen. Im Gegensatz dazu sehen Menschen mit einem Growth Mindset Fähigkeiten als veränderbar an und sind überzeugt, dass sie mit Anstrengung und Ausdauer wachsen und sich weiterentwickeln können.

Sich tiefer mit dieser Unterscheidung zu beschäftigen, bringt einen schnell zu der Erkenntnis: ein Growth Mindset ist the way to go. Man gewinnt den Eindruck, dass es nicht nur fundamental in der Innovationsarbeit ist, sondern auch der Garant für ein erfülltes Leben ist.

Liegt also die Frage nahe: Lässt sich das Mindset von einem Fixed zu einem Growth Mindset verändern? Auf jeden Fall!

Das eigene Mindset zu transformieren ist nicht so schwer, wie man denkt. Im Internet finden sich zahlreiche Seiten, die einem mit vielen Tipps und Tricks versorgen, wie dies gelingen kann. Was mich an diesen Tipps aber bislang gestört hat war das Unkonkrete daran. Es heißt oft, man solle sich neuen Herausforderungen annehmen oder bewusstere Entscheidungen zu treffen. Wäre ein Schritt-für-Schritt Programm nicht deutlich hilfreicher?

Aus einer eigenen Erfahrung heraus habe ich daher ein handliches 4-Phasen-Framework entwickelt, das konkrete Tools beinhaltet, mit denen man sein Mindset Schritt für Schritt hin zu einem growth Mindset verändern kann. In diesem Artikel möchte ich dieses Framework näher erläutern.

Vom Fixed Mindset zum Growth Mindset: Ein Vier-Phasen-Framework
4-Phasen-Framework – entwickelt von Christina Westing

Phase 1 – Reflect: Erkenne dein Fixed Mindset

Die erste Phase, „Reflect“, befasst sich mit der Erkenntnis eines Fixed Mindsets. Zu erkennen, ob man selbst in einem Fixed Mindset steckt, gelingt, indem man sich verschiedene Situationen aus seinem täglichen Leben vor Augen führt. Denke zum Beispiel an Situationen im Beruf, in denen du dich davor gescheut hast, eine neue Aufgabe zu übernehmen, aus Angst zu scheitern. Oder vielleicht hast du eine Beförderung verpasst, weil du glaubtest, die notwendigen Fähigkeiten seien dir einfach nicht in die Wiege gelegt. Das sind klare Anzeichen eines Fixed Mindsets. Überlege im gleichen Zuge, wie sich diese Denkweise auf deinen (beruflichen) Alltag auswirkt. Wie reagierst du auf Herausforderungen und was macht das mit dir? Wie sehr hält dich deine Angst vor dem Scheitern zurück? Hast du dadurch das Gefühl, auf der Stelle zu treten? Auch diese Gefühle sind Anzeichen eines Fixed Mindsets.

Um einfacher in die eigene Reflektion zu kommen kann es helfen, den eigenen Raum zwischen Reiz und Reaktion wahrzunehmen. Wirst du mit einer entscheidenden Frage oder Situation, wie oben beschrieben, konfrontiert, reagiere nicht sofort, sondern nimm die Situation erst einmal wahr und versuche über sie nachzudenken. Bei größeren Entscheidungen bitte dein Gegenüber um einige Bedenkzeit.

Zusätzlich ist es hilfreich, die wahrgenommenen Situationen aufzuschreiben. Nimm dir nach einem Arbeitstag 5 Minuten Zeit, um über deinen Tag zu reflektieren. Schreibe kurz und knapp markante Situationen deines Tages auf und überlege, wie du hier reagiert hast und welches Gefühl du hattest. Auf diese Weise wirst du für zukünftige Situationen dieser Art deutlich sensibler.

Sein eigenes Denken und Handeln zu reflektieren ist der erste und auch gleichzeitig der wichtigste Schritt. Sobald du in der Lage bist, deine Denkweise und deine Art zu handeln zu reflektieren, hast du die Grundlage zur Veränderung gelegt, die fundamental für deine Transformation ist. Ein Growth Mindset bedeutet nämlich auch, sich regelmäßig selbst zu hinterfragen und zu reflektieren: Wie sehen meine nächsten Ziele aus? Was läuft gerade gut, was nicht so gut? Welche Fähigkeit möchte ich ausbauen, um meine Ziele zu erreichen? 

Phase 2 – Reframe: Bewerte Situationen neu

Die „Reframe“-Phase fordert dich auf, deine persönlichen Herausforderungen neu zu bewerten. Diese können privater oder beruflicher Natur sein. Ein klassisches Beispiel ist das Machen von Fehlern. Wie gehst du damit um, wenn du merkst, du hast etwas faktisch falsch gemacht? Anstatt dich selbst zu kritisieren (warum war ich so blöd, wie konnte mir das nur passieren) und die Schuld auf unveränderliche Faktoren zu schieben (ich hatte ja zu wenig Zeit, mein Kollege hat mir nicht genügend Informationen gegeben), akzeptiere den Fehler als geschehen an und überlege, wie du ihn in Zukunft verhindern kannst.

Ein Fehler kann auch persönliches Potential aufdecken. Wenn du beispielsweise bei einer Präsentation deine Zuhörer abhängst oder dich vor Aufregung permanent versprichst, betrachte dies nicht als persönliches Versagen, sondern als Gelegenheit, deine Präsentationsfähigkeiten zu verbessern.

Die Neubewertung solcher Situationen ermöglicht es dir, aus deinen Fehlern zu lernen und sie als Wachstumschancen anzusehen.

Neben der Neubewertung spielt Akzeptanz eine große Rolle. Situationen, in denen du Fehler machst oder in denen du nicht einfach nicht wohlfühlst, werden dir dein ganzes Leben lang begegnen. Der Schlüssel liegt darin, solche Situationen zu akzeptieren und diese positiv zu bewerten.

Der Reframe-Prozess kann beunruhigend sein, weil du beginnst, dein erlerntes Verhalten zu hinterfragen, aber es ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einem Growth Mindset.

Phase 3 – Relearn: Tue aktiv Dinge anders

Der dritte Schritt, die „Relearn“-Phase, besteht darin, deine neu definierten Glaubenssätze in die Praxis umzusetzen. In dieser Phase solltest du dich aktiv dazu herausfordern, neue Fähigkeiten zu erlernen, Risiken einzugehen und dich von deiner Komfortzone weg zu bewegen.

In dieser Phase geht es vor allem um das Neu-Erleben selbst, weniger um das inhaltlich Neue. In den meisten Fällen hat unser Gehirn im Laufe der Zeit schlichtweg verlernt, was es bedeutet, etwas komplett neu zu lernen, weil es sich daran gewöhnt hat, dass das Leben auch so ganz gut funktioniert. Ein extra Energie-Aufwand für neue Dinge war irgendwann nicht mehr notwendig. Wir müssen das „Etwas Neues lernen“ neu üben. Und das klappt am besten durch das berühmte „einfach machen“, idealerweise in etwas, was dich grundsätzlich interessiert (das gibt die nötige Motivation).

Angenommen, du interessierst dich für die skandinavischen Länder. Wie wäre es zum Beispiel, wenn du einfach mal anfängst, norwegisch zu lernen? Lade dir eine passende App herunter und los geht’s! Nun kann es sein, dass dein Kopf dir sagt „In Sprachen war ich noch nie gut“. Aber genau darum geht es: In der Relearn-Phase versuchst du aktiv, diese Überzeugung zu überwinden. Du könntest eine Möglichkeit suchen, dich mit anderen Menschen auszutauschen, die bereits norwegisch können, einen Tutor engagieren oder Online-Lernressourcen nutzen. Es geht nicht darum, sofort perfekt zu sein. Dieser Prozess konzentriert sich darauf, wie du dir neue Fähigkeiten aneignest und deine Einstellung dazu überdenkst.

In dieser Phase spielen Konsistenz und realistischer Aufwand eine große Rolle. Setz dich lieber einmal in der Woche für 1 Stunde an dein neues Projekt als zu versuchen, jeden Abend 2 Stunden aufzuwenden. Jede Art von Veränderung braucht Zeit und du musst dich erst einmal neu daran gewöhnen, dich auf ungewohntem Terrain zu bewegen.

Phase 4 – Regain: Gewinne die Kontrolle

Die finale Phase, „Regain“, spiegelt die Transformation wider, die du durchlaufen hast, es ist die Phase der neu erlangten Kontrolle.

Nachdem du gelernt hast, dein Handeln in Situationen aktiv zu reflektieren, diese neu zu bewerten und dich bewusst auf neue Dinge eingelassen hast, wirst du eines Tages merken, dass du ganz intuitiv anders in deinem Alltag agierst. Du hast gelernt, Herausforderungen als Wachstumschancen zu sehen und dich aktiv um Verbesserung zu bemühen. Statt dich von Fehlern entmutigen zu lassen, nutzt du sie als Sprungbrett für deine Entwicklung. Wenn du dies an dir feststellst, dann bist du in der finalen Phase des „Regain“ angekommen.

In dieser Phase beginnst du zu erkennen, dass du, auch in deinem Beruf, auf Herausforderungen und Hindernisse nicht mit Frustration oder Resignation, sondern mit Entschlossenheit und Lernbereitschaft reagierst. Du fühlst dich befähigt, neue Aufgaben anzugehen, und siehst dir selbst als ständig wachsende und lernende Person. Dein neues Growth Mindset ermöglicht dir also, aktiv die Kontrolle in deinem Leben zu übernehmen und die Dinge nicht als gegeben zu akzeptieren.

Vom Fixed zum Growth Mindset – ein langer Prozess

Die Verwandlung von einem Fixed zu einem Growth Mindset ist keine leichte Aufgabe und geschieht nicht einfach so über Nacht. Es ist ein kontinuierlicher, bewusster Prozess, der Zeit und Anstrengung erfordert. Die Reise der eigenen Transformation ist zudem ein sehr individueller. Manchen Menschen fällt es vielleicht leichter, Situationen zu reflektieren, andere tun sich damit vielleicht einfach schwer. Wichtig ist es, dem eigenen Weg und der eigenen Geschwindigkeit zu vertrauen und dran zu bleiben.

Denn der Lohn für all deine Bemühungen ist groß: höhere Flexibilität, verbesserte Problemlösungsfähigkeiten und letztlich ein erfüllteres (berufliches) Leben, in dem du jeder Art Herausforderungen gewachsen bist und womöglich über dich selbst hinauswachsen wirst.

Die Frage ist, bist du bereit, den ersten Schritt zu machen?

geschrieben vonChristina Westing