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Einsatz von Kreativitätstechniken | Was leisten sie wirklich?

Kreativitätstechniken, oder auch Kreativmethoden genannt, sind ein zentrales Werkzeug in der Innovationsarbeit. Insbesondere in sehr tradierten Organisationen, die kaum bis gar keine inspirierende Vorbilder haben (wie es zum Beispiel bei Apple und Co. der Fall ist) ist Innovieren ohne die Hilfe von Kreativitätstechniken äußerst schwierig.

Die Welt der Kreativenmethode ist riesig, ss gibt eine riesige Anzahl an verschiedensten Methoden. Wer sich einmal hinsetzt und beginnt nach Kreativitätstechiken zu googlen, der landet in einem großen Methodenuniversum und ist womöglich auch erst einmal völlig überfordert. Fragen wie:

  • Warum gibt es so viele Methoden?
  • Welche Methode eignet sich für mein Problem?
  • Wie finde ich die richtige Methode?
  • Welches Ergebnis kann ich bei Anwendung einer Kreativitätstechnik erwarten?

schrecken vielleicht ab. Es sind aber klassische Fragen, denen auch wir in unserer täglichen Arbeit mit Kunden immer wieder begegnen. Daher möchte ich das Thema Kreativitätstechniken einmal genauer beleuchten.

Warum gibt es Kreativitätstechniken?

Wir Menschen sind absolute Gewohnheitstiere. Routinierte Abläufe und erprobte Denkmuster sind einfach, ersparen uns Zeit und Energie. Für die meisten von uns ist dies auch von großem Vorteil, insbesondere dann, wenn wir uns täglichen (oftmals sich wiederholenden) Tätigkeiten widmen müssen.

Wenn wir uns nun aber in einem Innovationsvorhaben wiederfinden, wird es schwierig. Wir sind es schlichtweg nicht gewohnt, uns außerhalb unserer bekannten Denkmuster zu bewegen. Was wir nicht kennen, fällt uns schwer und frustriert uns. Hinzu kommt noch, dass wir nicht das nötige Wissen haben, wie Ideenfindung funktioniert. Die meisten machen „ein wenig Brainstorming“ und wundern sich, warum keine Ideen dabei heraus kommen. Aus diesen Gründen sagen auch viele Menschen von sich selbst, sie seien nicht kreativ. Aber dieser Glaubenssatz ist falsch! Es ist wissenschaftlich belegt, dass wir Menschen alle gleich kreativ sind. Manche trainieren ihre Kreativität einfach nur öfter und daher fällt es ihnen leichter, kreativer zu denken und gewohnte Pfade zu verlassen. Wer dies aber selten bis niemals tut, muss dies erst wieder lernen. Und an genau dieser Stelle kommen Kreativitätstechniken ins Spiel.

Eine Kreativmethode ist simpel gesprochen eine Technik, die uns dabei unterstützt, systematisch kreativ zu sein. Sie begleiten uns durch unseren kreativen Prozess und bieten uns die nötige Hilfestellung, um zuverlässig und fast schon intuitiv zu neuen Ideen zu gelangen. Man kann sich eine Kreativitätstechnik wie eine Anleitung zur Ideenfindung vorstellen, die in den meisten Fällen ungefähr so aufgebaut ist.

  1. Formuliere dein Problem/deine Fragestellung in angemessener und strukturierter Form
  2. Besorge alle notwendigen Materialien und sorge für eine passende Umgebung
  3. Führe Schritte 1 – X zur Ideenfindung aus
  4. Schreibe alles auf
  5. Reflektiere deine Ergebnisse und entscheide über den nächsten Schritt

Kreativitätstechniken sind also Denkhilfen, die uns in unserer Ideenfindung eine hilfreiche Struktur bieten, um leichter auf neue, ungewohnte Denkweisen und damit zu neuen Ideen zu kommen. Doch was kann ich vom Einsatz dieser Techniken erwarten?

Einsatz von Kreativitätstechniken | Was leisten sie wirklich?
Der „Brainwriting-Pool“ ist eine äußerst effiziente Kreativitätstechnik, die selbst introvertierte Teilnehmende einbindet.

Was leisten Kreativitätstechniken?

Der erste Einblick in die Definition von Kreativitätstechniken verleitet zu der Annahme, dass sie ein Allheilmittel im Innovieren sind und man nur genug Methoden anwenden muss, um zur goldenen Idee zu gelangen. Doch genau hier ist Vorsicht geboten.

Schauen wir uns zunächst an, was Kreativitätstechniken wirklich leisten können:

  • Sie können eine hohe Zahl an neue Ideen hervorbringen: Der Einsatz von Kreativmethoden ermutigt das Team, außerhalb der Box zu denken und neue, innovative Ideen zu entwickeln, völlig losgelöst von unserem inneren Zensor. Dadurch kommt eine, im ersten Moment, ungewohnt hohe Zahl von Ideen zu Tage und genau das wollen wir erreichen! Das Stichwort hier ist „Die Menge macht’s!“, denn nur so erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter diesen vielen Ideen die berühmte goldene Idee befindet.
  • Sie können bei der Problemlösung helfen: Insbesondere dann, wenn uns Probleme schon über einen längeren Zeitraum begleiten, bekommen wir ein schwieriges Verhältnis zu ihnen. Das Problem wird immer größer und erscheint immer unlösbarer. Kreativitätstechniken helfen dabei, selbst „alt eingesessene“ Herausforderungen und Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, um somit unterschiedliche neue Lösungsmöglichkeiten zu finden.
  • Sie können die Zusammenarbeit im Team fördern: Auf der Teamebene hat der Einsatz von Kreativitätstechniken noch einen weiteren, wertvollen Effekt: Sie fördern die Zusammenarbeit im Team, indem sie jede beteiligte Person anregen, die Ideen und Perspektiven aller Teammitglieder zu schätzen und zu nutzen. Das verbindet und baut Vertrauen auf.
  • Sie können die Kommunikation verbessern: Neben einer besseren Zusammenarbeit kann die Anwendung von Kreativmethoden auch die Kommunikation untereinander stärken. Wenn wir uns im Team daran halten, die Methoden Schritt für Schritt durchzuführen, schaffen wir einen sicheren Raum für das Teilen von Ideen und Gedanken.
  • Sie können die Motivation erhöhen: Nicht zuletzt machen Kreativitätstechniken auch einfach Spaß. Durch neue ungewöhnliche Kombination kommen wir zu gänzlich anderen Perspektiven, die oftmals für eine ausgelassene und gute Stimmung sorgen. Dadurch erhöhen sich die Motivation und das Engagement des Teams, denn sie gestalten den Innovationsprozess interessanter und abwechslungsreicher.

Klingt alles ziemlich vielversprechend, nicht wahr? Diese Möglichkeiten aber nun vor Augen, möchte ich gleichermaßen auch auf die Grenzen beim Einsatz von Kreativitätstechniken eingehen.

Wo liegen die Grenzen beim Einsatz von Kreativitätstechniken?

So vorteilhaft Kreativitätstechniken in der Innovationsarbeit auch seien mögen, bringen sie auch gewisse Grenzen mit. Es ist wichtig, sich ihnen bewusst zu machen, um ihnen auf Augenhöhe begegnen und entsprechende Maßnahmen ableiten zu können.

  • Sie sind keine Garantie für Qualität: Die ist der wohl wichtigste und am meisten unterschätzte Aspekt. Kreativitätstechniken richtig angewandt können zwar die Anzahl der generierten Ideen erhöhen, aber sie garantieren nicht unbedingt die Qualität der Ideen. Es muss einem bewusst sein, dass nicht jede Idee, die im Prozess generiert wird, praktikabel, ökonomisch sinnvoll oder gar innovativ ist.
  • Sie bringen nicht automatisch die beste Idee hervor: Kreativmethoden helfen dabei, mehr Ideen in einer bestimmten Zeit zu generieren, als würde man die gleiche Zeit ohne Kreativmethode verbringen. Sie helfen jedoch nicht dabei, die beste Idee auszuwählen. Für die Auswahl der besten oder besser gesagt der passendsten Idee ist eine zusätzliche Analyse nötig. Hier helfen zusätzliche Methoden zur Bewertung und Entscheidungsfindung.
  • Sie funktionieren nur im passenden Umfeld: Neben einem passenden Raum für kreativen Erschaffensarbeit, muss auch das Umfeld im Unternehmen stimmen. Die beste Methode hilft nicht, wenn die Organisationskultur oder das Management nicht offen gegenüber Förderung von Kreativität sind. Ein Mensch, der permantem Gegenwind ausgesetzt ist, kann selbst bei der richtigen Methodenauswahl nicht offen denken.
  • Sie können zu Konflikten führen: Eine zentraler Faktor, der gerade von Workshopmoderatoren stark unterschätzt wird, sind die potentiell aufkommende Konflikte bei der Ideenfindung. Wer im Team viele Ideen generiert, der zeigt unterschiedliche Meinungen und Perspektiven auf. Diese können zu unterschiedlichen Ansichten im Team führen, da sie das Denken außerhalb der Box fördern. Wenn diese Unterschiede im Team nicht proaktiv und strukturiert moderiert werden, sind Konflikte und Widerstände vorprogrammiert.

So abschreckend diese Grenzen sich vielleicht anfühlen mögen, die gute Nachricht: man kann sie umgehen und auflösen. Die Zauberwörter an dieser Stelle sind gute Vorbereitung und gute Moderation. Ein ausgebildeter Innovation Coach ist für jede Art Ideenfindung-Session, sei es 2 Stunden oder 2 Tage, maximal vorbereitet. Es gibt alternative Methoden als Backup, er hat die Teilnehmer vorab alle persönlich gesprochen, um ihr Mindset einzuschätzen und kennt mögliche Konfliktpotentiale, so genannte Dysfunktionen, und wie man ihnen begegnet.

Doch selbst wenn Sie kein ausgebildeter Innovation Coach sind, können Sie ein Team durch eine Ideenfindung führen. Ihr eigenes sicheres Auftreten, die Sensibilität für die Stimmung in der Gruppe und eine konsequente Moderation durch alle notwendigen Schritte sind schon mehr als die halbe Miete. Wenn Sie darüberhinaus die agile Arbeit im Team fördern, steht einer erfolgreicher Ideenfindungs-Session nichts mehr im Weg.

Wie finde ich die richtige Kreativmethode?

Vorteile und Grenzen schön und gut, bleibt die Frage: Warum gibt es so viele Kreativmethoden und wie finde ich die richtige?

Welche Methode sich am besten eignet hängt im Wesentlichen von vier Faktoren ab:

  1. Ziel der Ideenfindung
  2. Anzahl der beteiligten Menschen
  3. Einstellung/Mindset der beteiligten Menschen
  4. Verfügbare Zeit

In Vorbereitung auf eine Ideenfindung muss ich mir also die folgenden Fragen stellen:

  1. Was genau will ich mit der Ideenfindung erreichen? Wie genau lautet unsere Problemstellung? Ist uns unsere Herausforderung wirklich in der gesamten Breite bewusst?
  2. Mit wie vielen Menschen möchte ich in die Session starten? Wie viele Personen habe ich zur Verfügung? Wie viele Personen machen überhaupt Sinn?
  3. Wie ist das Mindset des Teams, mit dem ich arbeiten möchte? Wie stehen sie zu dem zu lösenden Problem? Sind sie offen für kreative Lösungen? Welches Verhältnis haben sie zu den anderen Menschen im Team?
  4. Wie viel Zeit steht uns zur Verfügung? Bis wann brauchen wir erste Ergebnisse?

Anhand dieser Fragen wird bereits offensichtlich, warum es so viele unterschiedliche Kreativmethoden gibt: Es gibt keine identischen Ziele, keine identischen Ressourcen, keine identischen Menschen. Jede Organisation hat vollkommen unterschiedliche Ansprüche, Pläne, Marktpositionen und verfolgt damit völlig unterschiedliche Ziele. Hinzu kommt die vollkommen natürliche Individualität von uns Menschen. Mit unseren eigenen Werten, Erfahrungen, Vorstellungen, Wünschen und Ängsten gehen wir alle mit vollkommen unterschiedlichen Einstellungen in eine Ideenfindung. Nicht zuletzt hat auch jede Organisation unterschiedlich viele Ressourcen zur Verfügung, sowohl im personellen als auch zeitlichen Sinne. Wo gerade kleine Unternehmen nur wenige Menschen einsetzen kann, haben größere Unternehmen eher das gegenteilige Problem, haben viele gewillte Menschen, die alle eingebunden werden wollen. Kleine Unternehmen haben zudem eher wenig Zeit, in größeren Unternehmen kann man sich durchaus mehr Zeit leisten.

Es gibt also schlichtweg nicht die eine richtige und perfekte Methode. Wenn man sich aber den vier genannten Faktoren bewusst ist und die Antworten auf die genannten Fragen kennt, lässt sich die Auswahl der passenden Methode schnell eingrenzen. In unserem Innovation Wiki, in Teilen auch in unserem großen Handbuch Innovation und dem großen Handbuch digitale Transformation, berücksichtigen wir genau diese Faktoren in den Filtermöglichkeiten der Methodensuche (Pro Account nötig). Die verfügbaren Methoden können gefiltert werden nach:

  • der Innovationsphase: in welcher Phase meines Prozesses befinde ich mich aktuell
  • dem Hinderniseffekt: wie ist das Mindset und die Einstellung meines Teams, welche Konflikte könnten entstehen
  • der Teamgröße: mit wie vielen Menschen plane ich meine Session
  • der Durchführungszeit: wie viel Zeit habe ich zur Verfügung

Wenn ich all diese Faktoren also klar haben, wird die Wahl der passenden Methode deutlich einfacher. Trotzdem gilt auch hier, probieren geht über studieren. Oft müssen wir einige Methoden ausprobieren und testen um herauszufinden, welche Kreativitätstechnik für meine Situation am besten funktioniert.

Tipps beim Einsatz von Kreativitätstechniken

Insbesondere dann, wenn ich selbst noch ungeübt bin und mich mit der Auswahl der passenden Methode und Anwendung der Kreativitätstechniken noch wenig auskenne, habe ich das Gefühl, viel falsch zu machen. Daher möchte ich Ihnen noch einige Tipps an die Hand geben, die die Arbeit mit kreativen Methoden erleichtern kann:

  1. Richtig auswählen und richtig anwenden: Wie ich bereits ausgeführt habe, ist es wichtig, die geeignete Technik für die jeweilige Situation und alle Gegebenheiten auszuwählen. Wenn es dann zur Anwendung kommt, neigen wir dazu, die Technik zu überfliegen und denken, wir hätten alles verstanden. Aber das tiefe Verständnis der jeweiligen Techniken, inklusive ihrer Vor-/Nachteile und allen notwendigen Schritten sind von essentieller Bedeutung. Nur wenn ich die passende Technik richtig anwende komme ich auch zu neuen Ideen.
  2. Ausgewogenheit zwischen Ideengenerierung und Implementierung schaffen: Während die Generierung von Ideen ein wichtiger Teil des Innovationsprozesses ist, ist die Implementierung dieser Ideen genauso entscheidend. Viele Teams versteifen sich darauf, viele und noch mehr Ideen zu generieren, denken diese aber nicht weiter. Es sollte aber ein Gleichgewicht zwischen Ideengenerierung und die dessen Implementierung bestehen. Nur so komme ich in meinem Prozess auch wirklich voran.
  3. Für ein inspirierendes Arbeitsumfeld sorgen: Wie bereits betont, ist eine offene, unterstützende und kreative Arbeitsumgebung wichtig, denn sie kann dazu beitragen, die Effektivität von Kreativitätstechniken zu steigern. Niemand würde von sich behaupten, an seinem eigenen Schreibtisch, an dem man täglich viele Stunden mit seinen Aufgaben verbringt, auf wirklich neue Ideen zu kommen. Daher ist es wichtig, für eine inspirierende Umgebung zu sorgen.
  4. Sich Gruppendenken bewusst machen und handeln: Es ist wichtig, sich des Risikos von Gruppendenken bewusst zu sein und Maßnahmen zu ergreifen, es frühzeitig zu vermeiden. Neben einer konsequenten Moderation der Ideenfindung, gehört auch die Förderung von offenen Diskussionen, die Wertschätzung von Meinungsvielfalt und das Ermutigen von konstruktiver Kritik dazu.
  5. Erwartungen realistisch halten: Obwohl Kreativitätstechniken viele Vorteile bieten können, sollten realistische Erwartungen gesetzt und im Team entsprechend kommuniziert werden. Nicht jede Idee, die durch Kreativitätstechniken generiert wird, wird ein Erfolg sein. Wer erfolgreich innovieren möchte, der muss auch viele Ideen wegschmeißen.

Abschließend bleibt mir Sie dazu zu ermutigen, sich in die volle Kraft der Kreativitätstechniken zu stürzen. Beachtet man einige Faktoren und bereitet man sich ausreichend vor, ist der Einsatz von Kreativitätstechniken ein mächtiges Werkzeug im Innovationsprozess und steigert die Wahrscheinlichkeit, dass sie die bahnbrechende goldene Idee finden, um ein Vielfaches.

geschrieben vonChristina Fiedler